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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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dahin.
    Um wenigstens die beklemmende Stille zu durchbrechen, plap perte Gleb einfach drauflos.
    »Was machst du, wenn du nach Eden zurückkommst?«
    Aurora zuckte mit den Achseln . A ls ihr klar wurde, dass der Junge die Geste in der Dunkelheit nicht sehen konnte, sagte sie leise: »Ich weiß nicht … Leben. Was sonst?«
    »Das ist ja langweilig«, erwiderte Gleb und schmunzelte über seine eigenen Gedanken. »Ich träume davon, nach Wladiwostok zu kommen. Schon mal davon gehört?«
    »Eine Hafenstadt am Japanischen Meer. Die Einwohnerzahl vor der Katastrophe betrug …« Das Mädchen überlegte. »Mist. Das habe ich vergessen. Haben wir in Geografie gelernt, aber das ist lange her. Warum willst du ausgerechnet nach Wladiwostok?«
    »Dort ist es schön«, schwärmte der Junge und seufzte nostalgisch. Er musste an einen Aufkleber mit einem traumhaften Panoramabild denken, den er besaß. »Jedenfalls war es das vor der Katastrophe. Vielleicht ist ja noch was davon übrig …«
    Die lockere Unterhaltung war eine willkommene Ablenkung und verscheuchte ein wenig die Angst. Der Junge schöpfte wieder Hoffnung und seine Zuversicht übertrug sich auch auf Aurora. Geduldig tasteten sie jeden Winkel ab und arbeiteten sich immer weiter voran.
    Die beiden wären wohl noch ewig durch die totale Finsternis geirrt, wäre da nicht plötzlich dieser Geruch gewesen, der sich zunehmend verdichtete. Wie der Ariadnefaden führte er Gleb durch das Kellerlabyrinth. Es war der völlig unverwechselbare Geruch von ranzigem Dieselöl.
    Seine Hände klatschten gegen kaltes Metall, das mit reichlich Schmieröl gefettet war. Ihm blieb fast das Herz stehen: Die Maschine, die hier im Weg stand, erkannte der Junge auf Anhieb.
    Der Dieselgenerator sprang sofort an. Das legte die Vermutung nahe, dass er regelmäßig gewartet wurde. Nach kurzem Ächzen und Schnauben stieg rasch die Drehzahl, und unter dem munteren Geknatter des alten Aggregats gingen im ganzen Raum aufgehängte Lampen an.
    Im Licht wurde eine weitere Räumlichkeit sichtbar . A ls Gleb die an den Wänden aufgereihten Fässer und das Werkzeugregal sah, wusste er sofort, worum es sich handelte. Ein solches Lager gab es auch an der Moskowskaja .
    »Sind wir schon in Eden?«, fragte Gleb.
    Aurora zögerte mit der Antwort. Sie setzte sich an den Rand des Maschinenrahmens und zupfte nervös am Riemen ihrer Tasche.
    »Nein, Gleb … Eden ist weit weg. Es befindet sich unterhalb des Stadtzentrums.«
    Die schlimmsten Befürchtungen waren eingetroffen. Das Mädchen hatte ihn tatsächlich angelogen.
    »Wo sind wir dann?«
    »Im Maschinenraum desPulkowo-Observatoriums. Hier befand sich auf mehreren Kelleretagen ein Wissenschaftszentrum. Beobachtungsapparatur, eine Basisstation für einen Satelliten zur Erforschung der Sonnenaktivität, diverse Laboratorien … Ein Sträfling hat diesen Ort während des Tunnelbaus entdeckt . A llerdings kam er nicht mehr dazu, jemandem davon zu erzählen. Er wurde von demjenigen getötet, der unmittelbar nach ihm kam und hier einen geheimen Bunker eingerichtet hat.«
    »Kenne ich ihn?«
    »Ich weiß nicht. Er taucht ab und zu an Stationen auf … Hast du schon mal vom Kämpfer gegen die Pest gehört?«
    Gleb erschrak. Er hatte sofort das Bild des in Flammen stehenden Pantelej vor Augen.
    »Warte mal … Willst du damit sagen, dass wir in die Behausung des Schwarzen Vernichters eingedrungen sind? Ist dir eigentlich klar, wie gefährlich das ist?!«
    Das Mädchen sagte nichts und senkte den Blick.
    »Wozu? Sag mit bitte, wozu?!«
    Der Junge fasste Aurora an den Schultern und schüttelte sie. Doch sie entwand sich schroff und schaute ihn streng an. Ein Blick wie eine kalte Dusche …
    »Ich muss meinen Vater sehen.«
    Im Licht des Lagerfeuers wirkten die Gesichter der Versammelten unnatürlich und maskenhaft . A ls hätte der unbekannte Künstler, der ihnen Schmerz, Verzweiflung und grimmige Entschlossenheit in die Gesichter malte, bis zuletzt gezweifelt, ob es richtig war, so viel Kummer und Leid auf einmal auf die Leinwand zu bringen.
    Die Spannung, die unsichtbar über der Szenerie lag, drohte sich zu entladen und in einen blindwütigen Sturmangriff auf die bewohnte Metro zu münden. Nur die Anwesenheit des Kapitäns hinderte die Flüchtlinge daran, diesen letzten Schritt zu gehen.
    Der alte Mann ließ den Blick über seine Untergebenen schweifen und bog seinen steifen Rücken durch. Die Arthritis plagte ihn seit jenen Tagen, als sie sich durch die Ruinen der

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