Die Reise in die Dunkelheit
Todgeweihten: »Lass mich in Ruhe! Lass mich in Ruhe! Lass mich …«
Der Söldner ertrug das nervtötende Gewinsel nicht länger. Er überwand sich und schlug die Augen auf.
Es dauerte eine Weile, bis er realisierte, dass er das hysterische Gejammer nicht geträumt hatte. Da schrie tatsächlich jemand und zwar ganz in der Nähe. Die angstverzerrte, heisere Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor. Kantemirow?
Taran setzte sich auf und schwang die nackten Füße auf den Bretterboden. Die kalte Berührung wirkte als Wachmacher und verscheuchte das Schwindelgefühl. Für Erinnerungen hatte er jetzt keine Zeit! Während er seine auf Stühlen herumliegenden Habseligkeiten zusammensuchte, verstärkte sich das Geschrei nebenan. Hektisch schlüpfte er in seinen Stalker-Anzug. Die Stiefel fand er neben dem OP -Tisch.
Der Waffenschrank in der Ecke war nicht verschlossen. Wladlens Zerstreutheit erwies sich ausnahmsweise als Glücksfall. Ein paar Glasfläschchen, die – warum auch immer – in dem Schrank standen, fegte Taran rabiat aus dem Weg und nahm einen lausigen, aber immerhin schussbereitenAbakan heraus.
Im nächsten Moment riss er die Tür auf und stürmte in den Nebenraum. Ein Meer von Scherben, zertrümmerte Möbel, umgeworfene Betten – es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Mitten in dem Chaos robbte Kantemirow auf allen vieren in einer Pfütze aus verschütteter Kochsalzlösung. Taran wollte den vor Schmerz stöhnenden Arzt schon ansprechen, doch er hielt inne, als er polternde Schritte hörte.
Einen Augenblick später trat er ins Licht. Der grausame und kompromisslose Bekämpfer der Pest. Der Schwarze Vernichter. Er marschierte auf Kantemirow zu, der sich in eine Ecke geflüchtet hatte.
Der Stalker war zum rechten Zeitpunkt gekommen. Die Düse des Flammenwerfers zielte bereits auf den Arzt. Jeden Augenblick konnte das Höllengerät sein alles vertilgendes Feuer speien. Doch der gepanzerte Riese hielt inne, als in seinem Rücken ein unmissverständliches Kommando gellte:
»Keine Bewegung! Oder ich schieße!«
Der geschlossene Helm wandte sich langsam dem Stalker zu, der mit angelegtem Sturmgewehr im Türrahmen stand. Die Hand im Stahlhandschuh zeigte zuerst auf Wladlen, dann auf das Biogefahr-Symbol auf dem rußigen Brustpanzer und vollführte zuletzt eine vielsagende Schnittbewegung am Hals.
»Warum hast du ihn dann zusammengeschlagen? Da ist doch was faul, Mann … Hände hoch, aber zackig!«
Anstatt zu antworten, wandte sich der Vernichter wieder seinem Opfer zu. Kantemirow spuckte Blut und versuchte, hinter einen Tisch zu kriechen. Sein mit Hämatomen übersätes Gesicht war eine von Angst und Schmerz verzerrte Fratze.
»Worauf wartest du?«, stammelte er durch seine eingeschlagenen Zähne. »Schieß! Er …«
Der Rest des Satzes ging im ohrenbetäubenden Gehämmer des Abakans unter. Der Stalker hatte das Feuer eröffnet, als sich die Düse des Flammenwerfers wieder auf Wladlen richtete.
Funken sprühend prasselten die Geschosse gegen den Panzer und flogen als Querschläger durch die Gegend. Metallisches Klirren und die Flüche der Widersacher erfüllten den Raum. Die Scherben einer zerschossenen Lampe regneten zu Boden. Ein Regal mit Verbandsmaterial fing Feuer und Rauchschwaden zogen durch das Patientenzimmer.
Auf der schwarzen Panzerung des Vernichters zuckte ein Gewitter sich spiegelnder Feuerblitze. Erst jetzt setzte sich die un heilvolle Gestalt in Bewegung und wandte sich frontal dem Schützen zu. Ein Flammenstrahl schlug in die Tür und versengte die Wände. Durch die gewaltige Hitze warf die Farbe Blasen und der Türstock ging wie ein Streichholz in Flammen auf.
Das Gewehrfeuer verstummte augenblicklich, und der Stalker konnte sich gerade noch rechtzeitig nach draußen retten. Doch sobald die Feuerwalze erlosch, tauchte er sofort wieder im Türrahmen auf. Er feuerte kurze, gezielte Salven, fand aber keine Lücke in der massiven Panzerung seines Kontrahenten.
Wenigstens war der Schwarze Vernichter jetzt abgelenkt. Der Lärm musste die hiesigen Sicherheitskräfte auf den Plan rufen. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann der Eindringling dingfest gemacht wurde.
Doch wie lange konnte sich Taran noch halten mit nur einem Magazin? Der Söldner warf einen sorgenvollen Blick auf den praktisch leergeschossenen Abakan.
Dem Giganten war klar, dass die Zeit gegen ihn lief. Er blickte sich nach Kantemirow um. Doch zwischen den Krankenbetten, die kreuz und quer durcheinanderlagen,
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