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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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das Gesicht in den Händen. »An dem Tag habe ich Mama das Mittagessen gekocht. Ganz allein. Zum ersten Mal im Leben. Einen halben Tag hab ich in der Küche zugebracht, wollte ihr einen Gefallen tun … Aber sie hat nicht mal einen Blick drauf geworfen. Ist völlig aufgelöst hereingestürmt, ganz blass im Gesicht, hat sich aufs Bett geworfen und zu weinen begonnen. Ich bekam einen fürchterlichen Schrecken, hab sie gerüttelt und gefragt, was los ist. Da hat sie sich umgedreht, mich angeschaut, als ob sie mich zum ersten Mal sieht, und wieder weitergeflennt. Dann ist Tante Olga reingekommen, unsere Nachbarin, weil sie den Lärm gehört hatte. Sie hat mich in mein Zimmer gebracht und gesagt, ich soll erst mal dort bleiben …«
    Aurora traten Tränen in die Augen. Gleb spürte, wie schwer es ihr fiel weiterzusprechen.
    »Sie haben Mama in die Krankenstation gebracht. Mit einem Herzinfarkt. Die Ärzte haben vierundzwanzig Stunden niemanden zu ihr gelassen, weil sie so schwach war. Dann hat mich Tante Olga abgeholt und zu Mama ins Krankenzimmer gebracht. Unterwegs hat sie kein Wort gesagt, ihr zitterten ja selbst die Hände . A ls ich Mama sah, habe ich mich gefreut und wollte sie umarmen, aber der Arzt, so ein strenger Typ, hat mich fast mit Gewalt zurückgehalten. Ich durfte mich dann ans Kopfende von ihrem Bett setzen, und er ist rausgegangen. Ich weiß noch, Mama hat die Augen aufgemacht und gelächelt . A ber ihre Augen waren so traurig und trüb. Sie hat mir einen Kuss gegeben und mir über den Kopf gestreichelt. Dann ist sie wieder eingeschlafen. Ich bin ganz still bei ihr sitzen geblieben, um sie nicht aufzuwecken. Plötzlich hat sie die Lippen bewegt, aber ich habe zuerst nichts verstanden. Sie hat die ganze Zeit nach jemandem gerufen. Und so hab ich den Namen meines leiblichen Vaters erfahren. Ein seltener Name. Im Einwohnerverzeichnis von Eden war er nicht drin. Dafür fand ich in der Datenbank des Geheimdiensts jemanden, der so heißt …«
    »In der Datenbank? Was heißt das?«
    »Na, ich musste mit dem Server was drehen, der war nur dilettantisch gesichert und …« Das Mädchen schaute auf und winkte missmutig ab. »Spielt ja auch keine Rolle, das verstehst du sowieso nicht. Jedenfalls hat sich rausgestellt, dass mein Vater außerhalb der Stadt arbeitet. Seine Aufgabe besteht darin, Wil… Leute zu liquidieren, die von der Existenz von Eden erfahren haben. Ich konnte das anfangs gar nicht glauben . A ber dann habe ich seine Berichte gefunden. Es war mir ein totales Rätsel, wie er sich darauf einlassen konnte. Und nachdem er die Insel ausgelöscht hatte …«
    »Was?!«, fiel ihr Gleb ins Wort und sprang auf. »Also hat …«
    »Ja«, bestätigte Aurora mit versteinertem Gesicht. »Er.«
    »Aber wieso? Und warum hast du nichts gesagt, als wir bei Tjorty waren?«, ereiferte sich der Junge.
    »Die hätten mich doch eingesperrt, bis die Sache geklärt ist. Ich bin lange genug hinter Gittern gesessen. Das reicht mir! Wenn man im Handelsring von Eden erfährt …«
    »Eden, Eden, Eden … Ich kann’s nicht mehr hören! Du hast wohl nichts als deine tollen Edenbürger im Kopf!«
    Der Junge hielt inne, als er Auroras bohrenden Blick bemerkte. Sie nahm sich zusammen und ignorierte Glebs Wutausbruch.
    »Ja, ich mache mir Sorgen«, entgegnete sie bitter. »Aber nicht nur um sie. Sonst wäre ich ja nicht hier, sondern zu Hause. Ich muss mit ihm sprechen und ihn überzeugen … Der Schwarze Vernichter hat schon genug Unheil angerichtet . A ber es könnte noch schlimmer kommen, wenn man ihn nicht stoppt. Ich muss es wenigstens versuchen! Mehr will ich gar nicht von diesem … von dieser Missgeburt.«
    »Deshalb sprichst du also immer nur vom ›Schwarzen Vernichter‹, von ›ihm‹, von deinem ›leiblichen Vater‹ … Papa hast du ihn noch nie genannt.«
    In der eingetretenen Stille hört man Aurora schluchzen. Nicht zum ersten Mal musste der Junge seine Weggefährtin trösten . A ber es nützte nichts. Sie weinte nur noch schlimmer. Ihre Seelenqualen brachen sich Bahn.
    »Manchmal frage ich mich, ob er wirklich so ein Monster ist, wie alle behaupten. Vielleicht macht er sich selbst schlechter, als er ist?«
    »Ich habe gesehen, wie er Pantelej verbrannt hat«, erwiderte Gleb kopfschüttelnd. »Als er die Moschtschny hochgehen ließ, hat er wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper gezuckt.«
    »Gehen wir. Ich muss es genau wissen …«
    Das Mädchen sprang auf und drang tiefer in den Kellerkomplex vor. Gleb nahm

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