Die Reise in die Dunkelheit
ließ den Banditen keine Zeit, sich zu sortieren. Er rollte sich unter die Rangierlok und eröffnete das Feuer. Einen streckte er mit einem Kopfschuss nieder. Der zweite lief noch ein paar Meter, bevor er mit zerschossenen Beinen auf den Bretterboden fiel. Die Kugeln durchschlugen das morsche Holz wie Papier – der Dreckskerl hatte nicht den Hauch einer Chance.
Nachdem der Stalker die Wachposten erledigt hatte, schaute er im Führerstand nach dem Rechten. Migalytsch kauerte an der Wand und lächelte selig . A us seinem Mundwinkel tropfte Blut auf den Boden . A n seinem Rücken, wo das Hemd hochgerutscht war, sah man den Rand einer Schwellung, die sich zu einem handfesten Hämatom auszuwachsen drohte. Doch solcherlei Lappalien schienen den alten Mann nicht zu stören.
»Denen haben wir sauber Feuer unter dem Arsch gemacht!«
»Wie geht’s dir? Spürst du deine Beine noch?«
»Mach dir keine Gedanken um mich. Ich bleibe kurz liegen, dann geht’s mir gleich wieder besser.« Migalytsch rappelte sich auf und zog ein brüniertes Gewehr unter dem Fahrersitz hervor. »Da, nimm! Ich gebe gerade keinen guten Kämpfer ab, wie du siehst. Und du kannst sie brauchen.«
Der Stalker nahm die schwere Flinte entgegen.
»Das ist ja ein ›Luchs‹! Noch dazu in der Kampfversion! Sag mal, hast du wirklich bei der Metro gearbeitet? Oder verschweigst du mir was? Wo hast du die Büchse her?«
»Zum Geschichtenerzählen ist auch später noch Zeit. Geh jetzt, bevor sie sich wieder formieren.« Der Alte fasste den Söldner am Ärmel und sah ihm mit väterlicher Strenge in die Augen. »Mach sie nieder, diese Schweine!«
Migalytsch hustete und verschmierte das Blut auf seiner Wange.
Taran zögerte nicht länger. Er klemmte das Geschenk unter seinen Gürtel, stopfte die Patronen in die Taschen, zog sich die Gasmaske vors Gesicht und marschierte den Tunnel entlang. Das Benzin war schnell verbrannt, aber die an der Wand verlaufenden Kabel schwelten noch und verströmten beißenden Qualm.
Schon nach kurzer Zeit stieß der Söldner auf die ersten Verwundeten. Die versengten Banditen krümmten sich auf dem Gleis und winselten wie hilflose, blinde Welpen.
Taran empfand kein Mitleid . A ber auch keine Genugtuung. Es war ein Job, den es zu erledigen galt. Weil es sein musste. Er tat es für die Frau von der Frunsenskaja , von der er nicht einmal den Namen wusste. Für den kauzigen Lokführer. Für alle bisherigen Opfer dieser grausamen Barbaren. Und er tat es für sich selbst.
Ein Geschwür lässt sich nicht behandeln. Man muss es herausschneiden . A usmerzen . A usrotten wie eine Seuche …
Die Kalaschnikow ratterte ununterbrochen. Ohne stehen zu bleiben, durchmaß Taran die verqualmte Röhre und gab den halb erstickten, halb verbrannten Heiden den Rest. Erst als er sich dem Seitentunnel näherte, stieß er auf halbwegs ernsthaften Widerstand. Doch die Banditen schossen ziemlich planlos um sich. Entweder sie waren noch zu konfus nach dem verheerenden Brandanschlag, oder die Glücksgöttin war heute dem Stalker gewogen. Denn obwohl er tollkühn vorwärtsstürmte und sich nicht sonderlich um Deckung bemühte, verfehlten ihn die Geschosse der Heiden.
Taran bestrich den ganzen Tunnelraum mit wilden Salven und sparte nicht an Munition. Wozu auch? Hier war schließlich Endstation . A lles aussteigen. Und vergessen Sie Ihre Sachen nicht …
Der Stalker schoss ein Magazin nach dem anderen leer. Im Kugelhagel flüchteten die Heiden in den Seitentunnel. Jetzt kam wieder der Granatwerfer zum Einsatz. Ein ohrenbetäubender Knall – und am Eingang in den Korridor waberte ein Vorhang aus Betonstaub und graublauem Rauch . A ls Zugabe flogen einige Splittergranaten hinterher. Der Söldner hatte keine Lust auf Versteckspielchen. Das Geräusch der über den Beton hoppelnden Granaten und die panischen Schreie der Banditen klangen für Taran wie Musik. Mit gefletschten Zähnen drückte er sich an die Tunnelwand.
Nach den Explosionen waren die Schreie verstummt. Die Granaten hatten den Bastarden das Maul gestopft . A us dem Korridor fiel ein von Splittern zerfetzter Körper aufs Gleis. Im Tunnel breitete sich angespannte Stille aus. Nur ein leises Rascheln war zu hören: Betonstaub, der aus einem Riss an der Decke rieselte.
Bevor Taran in den engen Seitentunnel eindrang, zog er die Flinte aus dem Gürtel. Für den Nahkampf im Labyrinth aus Gängen und Räumen war der »Luchs« genau das Richtige. Der Stalker stieg über die Leichen am Eingang, schlich
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