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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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unsichtbare Anwesenheit hinderte ihn daran, den Vorstoß zum Eingangspavillon zu wagen. Stattdessen schlüpfte er intuitiv in den nächsten Hauseingang. So ein Katz- und Maus-Spiel hatte ihm gerade noch gefehlt . A ber es half nichts. Er musste sich einen Überblick verschaffen.
    Über dicke Schichten von abgeblättertem Putz stieg er das Treppenhaus hinauf und kletterte durch ein Mansardenfenster aufs Dach. Hier oben pfiff ihm der schneidende Petersburger Wind um die Ohren und zerrte an seiner Kleidung. Wenigstens bot die Gasmaske ein wenig Schutz gegen die eisige Luft.
    Auf dem schrägen Blechdach kauernd spähte der Söldner über den Rand. Von hier oben eröffneten sich ganz neue Ausblicke, und diese waren so bizarr, dass er im ersten Moment an seinem Verstand zweifelte. Nicht weit vom Eingangspavillon der Metro entfernt stand mitten auf dem verschneiten Prospekt … ein Kind.
    Trotz des unförmigen ABC -Schutzanzugs und der über den Kopf gestülpten Gasmaske ließen zwei unter dem Gummi hervorlugende Zöpfchen keinen Zweifel daran, dass es sich um ein Mädchen handelte. In den Händen hielt es einen länglichen Gegenstand, doch Taran konnte von seiner Warte aus nicht erkennen, worum es sich handelte.
    Machte sich womöglich der chronische Schlafmangel bemerkbar? Der Stalker schüttelte den Kopf, blinzelte und schaute abermals hinunter. Die Halluzination war immer noch da. Und nicht nur das. Zu der ersten hatte sich eine zweite kleinwüchsige Gestalt hinzugesellt . A uch sie trug einen viel zu großen Schutzanzug, der sich von oben bis unten bauschte.
    Das zweite Kind stand ein Stück weit von dem Mädchen entfernt, hielt ein Gewehr Marke Eigenbau in Händen und beobachtete die Umgebung. Schon beim ersten Blick auf die sparsamen, präzisen Bewegungen, die scheinbar entspannte Körperhaltung und die perfekte Rundumkontrolle erkannte Taran seine Handschrift. Sie hatten das stundenlang trainiert. Kein Zweifel: Der Junge dort unten war Gleb! Er lebte!
    Der Söldner wollte schon hinunterschreien, doch als er im Augenwinkel rechts neben sich eine flüchtige Bewegung bemerkte, hielt er inne. In einigen Metern Entfernung hockte am Rand des Dachs mit angewinkelten Hakenbeinen eben jener Feind, dessen Anwesenheit er die ganze Zeit gespürt hatte. Die monströsen Ausmaße des Mutanten ließen den Stalker erschaudern. Er griff zu seiner Flinte und überlegte fieberhaft, was zu tun sei.
    Die Lage war brenzlig. Die Bestie, die sich dort sprungbereit zusammengeduckt hatte und mit ihren hungrigen Glasperlenaugen die Kinder fixierte, war ein Trepan – ein heimtückisches und erbarmungsloses Monster. Seinen Namen verdankte es der Fähigkeit, seinen Opfern mit der Präzision des gleichnamigen chirurgischen Instruments den Schädel zu öffnen. Gehirn war die Leibspeise dieses Mutanten. Schon oft hatte Taran die Leichen von Stalkern gefunden, deren Schädel gespalten waren wie geknackte Walnüsse. Diese Räuber hatten die Zweibeiner längst als Delikatesse erkannt und lauerten geduldig immer neuen Opfern auf.
    Der Trepan war offenbar so im Jagdfieber, dass er das Auftauchen des neuen Akteurs auf dem Dach überhaupt nicht bemerkt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann er sich auf die Kinder herabstürzen würde. Taran legte den »Luchs« an, doch als ihm einfiel, dass nur noch drei Patronen im Magazin waren, runzelte er missmutig die Stirn. Da half nur Improvisieren.
    Der sehnige, an eine Echse erinnernde Rumpf des Trepans zuckte zusammen, als ein Eisbrocken seine borstige Flanke traf. Seine abgeplattete Schnauze drehte sich sofort in die Richtung des dreisten Störenfrieds. Der Mutant fletschte eine dichte Reihe dolchartiger Zähne, fauchte und kroch langsam auf den Stalker zu.
    »Komm nur, du Scheusal«, murmelte Taran, »beweg deinen fetten Arsch hier rüber.«
    Das vereiste, abschüssige Blechdach taugte nur bedingt als Kampfarena, doch was blieb anderes übrig? Mit tapsigen Schritten seiner muskulösen Beine folgte der Trepan dem Stalker auf die andere Seite des Dachs. Er duckte sich, schwenkte die Schnauze hin und her, konnte sich jedoch nicht zum Sprung entschließen. Seine Krallen fanden auf dem eisigen Untergrund keinen richtigen Halt. Taran war das nur recht. Hauptsache, es war ihm gelungen, das Monster von den Kindern wegzulocken.
    Die Entfernung zwischen den Kontrahenten verringerte sich zusehends und war nahezu ideal für eine gezielte Schrotladung, als es unter den Füßen des Stalkers plötzlich knackte. Eine

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