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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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treibende Geisterschiffe … Direkt über ihm krümmte sich der kantige Rücken eines Roboters oder auch eines Ritters, der den reglosen Körper des Stalkers hinter sich herzog … Obwohl. Was für ein Unsinn. Was für ein Ritter denn, zum Henker? Der Verstand rebellierte und versuchte, aus den Wahnvorstellungen wenigstens ein Körnchen Wahrheit herauszufiltern. Doch der nächste Krampf schaltete das verwirrte Bewusstsein endgültig ab.

ZWEITER TEIL
    DIE FREMDE

8
    AM SCHEIDEWEG
    »He, Kleiner, was stehst du da drüben rum? Komm zum Feuer!«
    Es wäre albern gewesen, das Angebot nicht anzunehmen . A ußerdem konnte Gleb es sich in seiner Lage nicht leisten, wählerisch zu sein. Er nahm den Kadaver der Ratte, die er im Tunnel erbeutet hatte, in die Hand und trat schüchtern ans Feuer. Zwischen einem Koloss, der eine lustige Bommelmütze trug, und einem jungen Kerl mit Gitarre fand er ein freies Plätzchen. In dem engen Kreis saßen mehr Leute beieinander, als es aus der Ferne den Anschein gehabt hatte.
    An einem Drehspieß über dem Feuer schmurgelte eine riesige Schweinekeule. Herabtropfendes Fett zischte in der Glut . A uf improvisierten Tischen aus leeren Kisten türmten sich wahrhaft lukullische Köstlichkeiten: gekochter Schinken, eingelegte Pilze und sogar blasses Grünzeug mit schlaffen Blättchen – der Petersilienersatz, von dem Taran einst erzählt hatte.
    Nachdem Gleb die fürstliche Tafel mit hungrigen Blicken begutachtet hatte, kam ihm der tote Nager in seiner Hand ziemlich schäbig vor. Er hatte ihn eigentlich als Gegenleistung für den Platz am Feuer gedacht, doch angesichts des Überflusses …
    »Wirf doch das eklige Vieh weg«, sagte der Mann mit der extravaganten Strickmütze grinsend. »Genier dich nicht und lang zu. Ein Kind kriegt bei uns immer was zu essen.«
    Der Junge nickte dankbar und stürzte sich auf die Delikatessen. Sein leerer Magen hatte schon rebelliert, jetzt knurrte er voller Vorfreude auf ein üppiges Mahl. Gleb schleckte sich die fettigen Finger ab. Zum ersten Mal seit Langem lächelte er.
    Die dramatischen Ereignisse waren aus heiterem Himmel auf ihn eingestürzt und hatten ihm so zugesetzt, dass er gar nicht mehr daran denken wollte. Jedes Mal wenn vor seinem inneren Auge die Visagen der halbwilden Stummel und brutalen Heiden auftauchten, verfluchte er sich dafür, dass er damals die hermetische Tür geöffnet hatte.
    Was er seither an Ängsten ausgestanden hatte, spottete jeder Beschreibung. Besonders ungemütlich war es während des kurzen Kampfes im Abwasserkanal gewesen, als ihm die Kugeln der Banditen um die Ohren flogen. Gar nicht zu reden von seiner erfolgreichen Flucht, die der reinste Höllentrip gewesen war. Er konnte von Glück sagen, dass ihn die Karawanenführer im Pulk der Sklaven nicht bemerkt hatten. Nur deshalb war es ihm gelungen, das Territorium der Heiden unbemerkt zu verlassen.
    Doch egal was er durchgemacht hatte – es wurde mehr als aufgewogen durch jene ermutigende Botschaft, die er einem umtriebigen Räuber namens Schiwtschik zu verdanken hatte.
    Der Krüppel hatte von einem Kerl aus ihrer Bande erzählt, der an der Fallsucht litt und dessen Krankheitssymptome der Beschreibung nach dieselben waren wie bei Taran. Der Knackpunkt der Geschichte bestand darin, dass dieser Mann geheilt wurde! Vollständig und dauerhaft! Wie es zu dieser wundersamen Genesung gekommen war, hatte Schiwtschik zunächst für sich behalten. Um an diese Information zu kommen, hatte sich Gleb von seinem geliebten Feuerzeug trennen müssen. Zweifellos ein schwerer Verlust, doch die Gesundheit seines Stiefvaters war es allemal wert …
    Der Junge sah sich um. Die Wladimirskaja gehörte nicht zu den schönsten Stationen und wirkte aufgrund der kurzen Bahnsteighalle etwas beengt. Dafür herrschte dank der ungezwungenen Herzlichkeit der wenigen Bewohner eine unvergleichlich heimelige Atmosphäre. Ein paar ohne System angeordnete Lagerfeuer, ringsum selbst gebaute Zelte und einige Proviantsäcke, die chaotisch auf einem Haufen lagen – das war auch schon die gesamte Ausstattung dieses unscheinbaren Orts.
    Der muntere Kerl mit seiner Gitarre redete ohne Unterlass und lockerte sein Geplapper mit einfachen musikalischen Einlagen auf. Die anderen nannten ihn »Psycho«. Gleb fragte nicht nach, wieso. Vielleicht benahm der Gitarrenspieler sich bisweilen etwas zu emotional … Bewundernd beobachtete der Junge, wie flink seine Finger über die Saiten tanzten. Nur zu gern hätte er sich von

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