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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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der einschläfernden Melodie einlullen lassen, doch sorgenvolle Gedanken ließen Gleb keine Ruhe.
    In den geplünderten Bunker zurückzukehren war viel zu gefährlich. Womöglich lauerten ihm dort die Stummel auf, und dann würde er sicher nicht noch einmal mit mehr Glück als Verstand davonkommen. Warum die normalerweise friedliebenden Wilden plötzlich Jagd auf Menschen machten und warum sie es ausgerechnet auf ihn abgesehen hatten, war Gleb ein Rätsel, und das musste es vorläufig auch bleiben.
    Viel wichtiger war, möglichst schnell Taran zu finden und ihm die gute Nachricht mitzuteilen. Gewiss suchte sein Stiefvater ihn schon. Wahrscheinlich hatte er damit an den Nachbarstationen der Moskowskaja begonnen. Es war also am besten, wenn Gleb sich zur Elektra durchschlug. Unter Dyms Obhut konnte er in aller Ruhe auf Taran warten.
    Neuerlich aufbrandendes Gelächter riss Gleb aus seinen Gedanken. Der Auslöser der Heiterkeit war wieder einmal Psycho. Diesmal hatte er sich über das Grüppchen am Nachbarfeuer lustig gemacht und sie als »Touristen« bezeichnet.
    Aus den Gesprächen hatte der Junge schon mitbekommen, dass die Station ziemlich illustres Publikum beherbergte. Wen es hier nicht alles gab! Die Chaoten, die Gleb aufgenommen hatten, nannten sich Rope Jumper, die schweigsamen Onkels am übernächsten Feuer waren Höhlenforscher . A uch einige Alpinisten hatten sich hier niedergelassen. Weiß der Kuckuck, wo sie ihre Ausrüstung aufgetrieben hatten.
    Der Junge versuchte, den launigen Gesprächen am Feuer zu folgen, doch angesichts der Flut von Fachausdrücken kam er nicht so recht dahinter, worum es an dieser Station eigentlich ging.
    So viele neue Wörter auf einmal hatte Gleb schon lange nicht mehr gehört. Und selbst wenn er im Großen und Ganzen verstand, womit all diese seltsamen Leutchen sich befassten, so blieb ihm doch weitgehend schleierhaft, was sie damit bezweckten. Die Erforschung von Tunneln machte ja noch einigermaßen Sinn . A uch über Digger hatte er schon alle möglichen Geschichten gehört . A ber warum zum Beispiel kletterte jemand nackte Wände hoch? Es gab doch Leitern.
    Der Junge verzichtete darauf nachzufragen. Einerseits war es ihm peinlich, andererseits gab es weiß Gott Wichtigeres zu tun. Er befand sich weit entfernt von zu Hause, und es war höchste Zeit, sich auf den Rückweg zu machen.
    Gleb bedankte sich für die Gastfreundschaft und steuerte den Tunnel an . A uf halbem Weg holte ihn Psycho ein.
    »Warte! Wo willst du denn ohne Licht hin? Da.« Der Gitarrenspieler drückte dem Jungen eine Taschenlampe in die Hand. »Ich begleite dich ein Stück. Warum bist du überhaupt allein unterwegs, so ganz ohne Erwachsene? Hast du keine Eltern?«
    »Doch!«, entgegnete Gleb energisch. »Ich habe einen Vater.«
    Der sommersprossige Kerl schmunzelte. »Dann bist du also abgehauen?«
    Der Junge antwortete nicht. Er zischte nur verärgert und sah seinen Begleiter mürrisch an.
    Psycho ließ nicht locker. »Woher kommst du?«
    Obwohl der Gitarrenspieler einen freundschaftlichen Ton anschlug, hatte der Junge keine Lust, ihm von seinen Abenteuern zu erzählen. Schließlich kannte er diesen Typ überhaupt nicht.
    »Ich muss zu den Masuten«, erwiderte er ausweichend.
    »Und was hast du dann hier verloren, du Gipskopf? Obwohl, warte … Du hast wahrscheinlich noch gar nicht von dem Großen Spalt gehört, stimmt’s?«
    »Der Große Spalt? Was soll das nun schon wieder sein?«
    »Hab ich mir’s doch gedacht. Du bist mir vielleicht einer. Komm weiter, du wirst es gleich sehen.«
    Der Musikant zwinkerte ihm komplizenhaft zu und ging voraus. Gleb war neugierig geworden und folgte ihm . A ls der Tunnel plötzlich an einem gigantischen Abgrund endete, dessen Ränder sich links und rechts in totaler Dunkelheit verloren, wurde dem Jungen ganz anders zumute. Ihn schwindelte.
    »Worauf wartest du? Keine Angst, das Ding hält schon. Es ist solide gebaut.«
    Psycho stand auf einem wackelig aussehenden Steg, der einige Meter über die Abbruchkante ragte. Mit dem Ellbogen stützte er sich lässig auf ein Holzgeländer und wartete geduldig auf Glebs Reaktion. Vorsichtig trat der Junge auf die Bretter, krallte sich am Geländer fest und schaute hinunter.
    »Das ist also der Große Spalt?«, fragte er. Seine Stimme war heiser vor Aufregung.
    »Genau. Die Experten zerreißen sich den Mund darüber, wie er entstanden ist. Die einen behaupten, es handle sich um eine Karstspalte. Die anderen sprechen von einem – wie

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