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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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hinzuführen.«
    Anstatt zu antworten, nickte das Mädchen nur flüchtig. Offenbar glaubte sie nicht ernsthaft an den Erfolg des Unternehmens. Gleb machte sich nichts daraus. Bislang lief alles genau nach Wladlens Plan. Jetzt galt es, rasch zu handeln. Wenn er Aurora zu viel Zeit zum Nachdenken ließ, konnte es passieren, dass sie Verdacht schöpfte und den Schwindel durchschaute. Die Geschichte mit dem geklauten Schlüssel war ein bisschen zu simpel …
    Der Junge ging zur Tür und begann mit den Schlüsseln zu hantieren. Seine Zellengenossin beobachtete ihn – aufgeregt, aber ohne große Hoffnung . A ls sie jedoch das Schloss klicken hörte, konnte sie ihre Emotionen nicht zurückhalten und stieß einen Freudenschrei aus.
    »Pst!«, zischte Gleb, öffnete die Tür einen Spalt und spähte verstohlen hinaus.
    Auf Zehenspitzen schlichen die beiden Ausbrecher durch den Gefängnisgang und liefen zu einer Holztreppe mit rissigem Geländer . A ls sie oben um die Kurve bogen, standen sie vor der offenen Wachkammer.
    Wie Kantemirow versprochen hatte, machte der Wärter keine Anstalten, sie aufzuhalten. Der Mann mit der abgetragenen Uniform lümmelte sturzbesoffen auf seinem Stuhl und schnarchte. Sein aufgeschwemmtes Gesicht ruhte auf der Tischplatte. Neben dem Mülleimer lag ein leerer Glaskolben mit der Aufschrift »Alkohol«. Gewiss ein Präsent des findigen Arztes.
    Ungehindert durchquerten die Kinder den Großteil der Tech nikräume im Untergeschoss und erreichten schließlich eine Luke, die zum Bahnsteig hinaufführte . A lles lief wie geschmiert. Der riskanteste Teil der Operation lag bereits hinter ihnen, als Aurora ihren Fluchtpartner plötzlich am Ärmel zog.
    »Warte!«
    »Was ist?« Gleb drehte sich um.
    »Meine Tasche. Dieser Arzt hat sie mir abgenommen …«
    »Vergiss die Tasche. Dafür haben wir jetzt keine Zeit!«
    »Ohne sie gehe ich keinen Schritt weiter«, erklärte das Mädchen. »Ich brauche sie unbedingt.«
    Es war äußerst gefährlich, vom Plan abzuweichen, aber Auroras trotziger Blick ließ Gleb keine Wahl. Er musste improvisieren.
    »Meinetwegen. Warte hier. Ich bin gleich zurück.«
    Er schob Aurora in den schmalen Spalt hinter einem staubigen Schrank, dann machte er sich im Laufschritt auf den Weg zu Wladlens Labor. Er musste höllisch aufpassen, sich im Labyrinth der Gänge nicht zu verlaufen. Hin und wieder kamen ihm grimmige Männer in Marinejacken entgegen. Dann verlangsamte er den Schritt, lächelte verbindlich und ging an ihnen vorbei, als ob nichts wäre.
    Gleb wusste, dass das nicht ewig gut gehen konnte, deshalb atmete er erleichtert auf, als er endlich in das Labor des Wissenschaftlers schlüpfte, wo dieser ihm kurz zuvor letzte Anweisungen gegeben hatte. Wladlen war nicht da. Dafür fand er zwei Taschenlampen. Wie praktisch! Nach Auroras Habseligkeiten musste er nicht lange suchen. Ein Stoffbeutel, der auf einem Kästchen lag, fiel ihm sofort ins Auge. Der Beschreibung nach war er genau das, wonach er suchte.
    Mit dem Beutel unter dem Arm flitzte der Junge in den Gang hinaus und lief zurück. Die für die Flucht veranschlagte Zeit lief unerbittlich ab. Der Schichtwechsel der Wachen am Kontrollposten stand unmittelbar bevor. Danach hatten sie keine Chance mehr, die Station unbemerkt zu verlassen.
    Als Gleb um die letzte Ecke bog, blieb er vor Schreck stehen. Neben dem Schrank machte sich der Stationskommandant zu schaffen. Er versuchte, Aurora dahinter hervorzuziehen. Die Ausbrecherin schlug um sich und fauchte wie ein in die Enge getriebenes Tier, doch die Kräfteverhältnisse waren ungleich verteilt. Nicht weit davon entfernt stand der erblasste Wladlen – stramm aufgepflanzt wie ein Soldat.
    Gleb hatte keine Zeit zum Überlegen. Er tat das Erstbeste, was ihm einfiel.
    »Granate!«, brüllte er.
    Reflexe und militärischer Drill taten ihr Übriges. Wie ein Schwimmprofi beim Startschuss hechtete der schnauzbärtige Kommandant zu Boden und legte schützend die Arme über seinen Kopf. Der Junge sprang über den flach hingestreckten Körper, zog seine Fluchtpartnerin aus ihrem Versteck hervor und stürmte mit ihr zur Leiter unter der Luke. Unterwegs riss er ein Regal um, aus dem allerlei Gläser und Fläschchen regneten und den Gang mit einem Teppich aus scharfkantigen Scherben verminten.
    So schnell sie konnten, kletterten die Flüchtenden die eisernen Sprossen hinauf. Der Schnauzbart hatte inzwischen bemerkt, dass er hereingelegt worden war . A ußer sich über diese Dreistigkeit nahm

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