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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Von fern war Donnergrollen zu hören. Feiner Nieselregen setzte ein. Die Gefährten passierten einen ausgeplünderten Großmarkt und erreichten das Gleis. Rechts waren die Ruinen einer Brücke zu erkennen. In der entstandenen Bresche lagen die Überreste einiger Waggons und blockierten den Moskauer Prospekt. Dafür sahen die Gleise nach Westen hin intakt aus. An einigen Stellen entdeckte Gleb neue Schrauben in den Eisenbahnschwellen. Die Bahnanlage war offensichtlich betriebsbereit.
    Plötzlich stieß Taran den Jungen vom Bahndamm. Sie rollten den Hang hinab und blieben im Graben liegen. Ein
gewaltiger Schatten sauste über der Erde vorbei. Der Stalker verfolgte den Flug des Raubtiers und erlaubte es Gleb, erst nach einigen Minuten aufzustehen.
    »Habt ihr zwei ein Schäferstündchen, oder was?«
    Der Junge drehte sich nach dem Zuruf um und starrte verwundert auf das Gebilde, das sich ihnen näherte. Auf den Gleisen fuhr eine Draisine, deren Plattform ringsum mit einem Käfig aus dicken, gusseisernen Stangen bewehrt war. Oben befand sich eine quadratische Luke, zusammengeschweißt aus den gleichen Stangen.
    »Hallo, Taran!« Durch die Stangen des Käfigs blickte die Weggefährten ein sonderbarer Typ an mit langen fettigen Haarsträhnen und zahnlosem Lächeln. Sein Gesicht war über und über mit Schorf bedeckt und ähnelte eher einer Fratze. Über dem rechten Auge ragte ein beuliger Auswuchs hervor. »Der Expresszug fährt fahrplanmäßig ab. Begleitpersonen werden gebeten, die Waggons nun zu verlassen!«
    »Du solltest besser deine Atemmaske aufsetzen, Charon.« Der Stalker half Gleb die Draisine hinauf. »Aber mit deiner Fresse hast du wohl sämtliche Mutanten verscheucht.«
    »Als ob ich eure Tricks nötig hätte!« Das Scheusal stellte sich an den Antriebshebel und grinste noch immer. »Mir macht die Strahlung nichts.«
    Taran schaute auf die Anzeige des Geigerzählers und runzelte die Stirn. Die Draisine setzte sich sanft in Bewegung und fuhr über die Gleisanlagen.
    »Warum ›Charon‹?« Gleb hockte sich neben seinen Meister und schaute durch die Stangen auf die trostlose Landschaft der zerstörten Stadt.

    »Das ist sein Spitzname. Bei den alten Griechen gab es so eine Figur. Er brachte die Seelen der Toten über den Fluss Styx.«
    »Und dieser Charon hier setzt auch die Toten über?«
    »Allerdings.« Der Stalker seufzte tief. »Wir sind schon zwanzig Jahre tot. In die Erde haben wir uns eingegraben und irren dort herum wie ruhelose Geister. Wir suchen nach irgendetwas, organisieren uns den Alltag – alles völlig umsonst. Wir sind tot. Es gibt uns nicht.«
    Von den Garagen drang ein langgezogenes Heulen herüber. Graue, verschwommene Silhouetten rannten hin und her, sprangen von Dach zu Dach. Offenbar waren das keine Hunde … aber auch keine Menschen. Ihre Schnauzen waren lang, die Ohren aufrecht, das Fell zottig. Anstelle der Vorderläufe hatten sie jedoch muskulöse menschliche Arme – mit Krallen. Und unnatürlich breite Rücken. Der Stalker nahm seine Kalaschnikow von der Schulter.
    »Verdammt, das ist ja wie im Zoo. Sie können uns sehen wie Papageien im Käfig.«
    Taran feuerte eine kurze, ohrenbetäubende Salve ab. Eines der Monster zog die gekrümmten Pfoten ein und rollte kopfüber in den Graben. Die Verbliebenen setzten zähnefletschend und knurrend die Verfolgung fort.
    Gleb holte die schwere Pernatsch heraus, zielte und drückte zweimal ab. Eine weitere Kreatur verschwand hinkend zwischen heruntergekommenen Gebäuden.
    »Los, Bruder, geben wir ihnen Saures!« Taran stand auf der anderen Seite des Antriebshebels.
    Die Draisine beschleunigte. Die Hundsmenschen dagegen blieben zurück, bis auf einen ungewöhnlich großen,
der ihnen hartnäckig nachjagte. Plötzlich nahm er Anlauf und machte einen Satz auf das Dach des Käfigs. Gleb fiel vor Überraschung auf den Rücken.
    Durch die Stangen starrten ihn zwei glühende Augen an.
    »Worauf wartest du, verdammt? Mach ihn fertig!«
    Der Junge brauchte etwas Zeit, um seine Benommenheit abzuschütteln. Doch dann entsicherte er seine Pistole, riss sie hoch und jagte eine stramme Salve in den behaarten Leib. Einige der Kugeln trafen dabei die Gitterstangen und warfen Funken. Der Mutant zuckte einmal, dann noch einmal. Er griff mit seiner vierfingrigen Hand nach dem Jungen, aber die nächste Kugel traf genau in seinen Kopf. Dickes, dunkles Blut ergoss sich über die ganze Draisine. Der Hundsmensch regte sich nicht mehr. Charon brach in schallendes Lachen

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