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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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aus und wischte sich das Blut von seiner schiefen Visage. Taran fluchte durch die Zähne. Gleb lag noch immer auf dem Rücken, hielt die entladene Kanone ausgestreckt und zitterte am ganzen Körper. Er hatte nicht die Kraft, den Blick von dem kopflosen Kadaver über ihm abzuwenden.
    Die Pistole in seinen gefühllosen Händen war nun kein schickes Spielzeug mehr. Während der Junge die dicken Blutstropfen betrachtete, die zäh wie Pech von den Gitterstangen herabfielen, spürte er endlich, dass er eine Waffe in seinen Händen hielt. Eine echte, tödliche Waffe, mit der er soeben einem anderen Wesen einfach so das Leben genommen hatte. Gleb wurde übel.
    »Einen lustigen Express hast du da, Charon.« Der Stalker maß eine Handvoll Patronen ab. »Hast du die ganze Fahrerei noch nicht satt?«

    »Du hast deine Geschäfte, Taran, ich habe meine«, antwortete Charon. Sein dümmliches Grinsen war auf einmal verschwunden. »Wir sind da. Alles aussteigen.«
    Vor ihnen erstreckte sich der Prospekt Statschek.
    Die Weggefährten bezahlten und stiegen den Damm hinab. In kurzen Etappen liefen sie die Straße entlang. Auf einem riesigen Gebäude mit leeren Fensterhöhlen erblickte Gleb überdimensionale Buchstaben: »K…RO… – W…RK«.
    »Das Kirow-Werk?«
    »Siehst du doch selbst. Eine Querstraße weiter und wir sind bei der Metro.«
    Gleb hatte sich oft den Metroplan angeschaut und fragte deshalb: »Warum sind wir nicht über die ›Technoloschka‹ gegangen? Unten ist es doch viel ruhiger.«
    »Sagen wir mal, wir haben eine Abkürzung genommen. Außerdem kommst du bewaffnet nicht überall durch. Wir beide sind ja damit behangen wie Weihnachtsbäume.« Der Stalker ging nun wieder im Schritttempo und wich einem tiefen Trichter aus. Der Geigerzähler fing zu knacken an. »Jede Menge Strahlung hier … Mir nach. Und kein Wort über die Eisenbahnstrecke. Das ist ein geheimer Verbindungsweg. Vom Kirow-Werk kommst du anders nicht ins Zentrum. Die Masuten schätzen Gauner nicht. Aus Richtung der Frunsenskaja aber erwartet man sie nicht. Dort können sie durchschlüpfen.«
    Vor lauter Reden hatte Gleb gar nicht bemerkt, dass sie bei der Metro angekommen waren. Einige Säulen des Gebäudes waren eingestürzt und hatten den Eingang teilweise verschüttet. Die Gefährten bahnten sich einen Weg
durch die Trümmer und betraten das Vestibül. Ringsum herrschten Verwüstung und Verfall. Als ob eine Herde Mutanten hier gewütet hätte. Eine skalpierte Leiche hing bis zum Gürtel aus dem Wachhäuschen heraus.
    »Wer hat den denn so zugerichtet?«, fragte Gleb leise.
    »Es gibt nur ein Tier, das aus Vergnügen tötet.«
    »Der Mensch?«
    »Zumindest die Bastarde dieser Gattung. Gewöhn dich dran. Hier gibt es eine ganze Station davon.«
    Taran lief an den Betonbrocken vorbei und betrat die wacklige Rolltreppe. Die Konstruktion begann verdächtig zu beben, aber der Stalker bewegte sich sicher nach unten, wobei er sorgsam den Löchern in den Stufen auswich. Gleb folgte ihm auf den Fersen. Als sie weiter herabstiegen, machten sie ihre Lampen an. Von allen Seiten umgab die Gefährten wieder die gewohnte Dunkelheit des Untergrunds, doch Gleb fühlte sich hier irgendwie nicht mehr wohl. In der kurzen Zeit draußen waren das Licht und der Himmel über dem Kopf für ihn lebenswichtig geworden.
    Als Taran das hermetische Tor erreichte, klopfte er an. Die Schläge hallten den schrägen Tunnel hinauf. Für einen Augenblick schien es Gleb, als wäre das Licht, das von oben hereinströmte, von einem merkwürdigen Schatten verdeckt worden. Er zog seine Pistole … Nein, doch nichts. Aber die Angewohnheit, nach der Waffe zu greifen, habe ich mir schon zugelegt, dachte er bei sich.
    Unterdessen knarrte die Tür des Diensteingangs. Auf der Schwelle erschien ein langer Kerl mit Bart in einer Wattejacke, der eine abgesägte doppelläufige Schrotflinte in den Händen hatte.

    »Was wollt ihr?«
    »Übernachten. Und mit dem Chef sprechen.«
    Der Lulatsch musterte die Gäste mit scharfem Blick, nahm das Passiergeld entgegen, trat zur Seite und ließ sie passieren. Die verqualmte Luft, ein aberwitziges Gemisch aus saurem Tabakrauch, Uringestank und Dieselauspuffgasen, verstopfte augenblicklich die Lungen. Gleb musste husten. Die Augen tränten fürchterlich. An den Säulen steckten abwechselnd matte Lampen und qualmende Fackeln. Auf dem Bahnsteig herrschte Chaos. Unter einer dicken Schicht von Müll, zerbrochenem Glas und Unrat war der Boden nicht zu sehen. Die

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