Die Reise ins Licht
entgegnete Taran schneidend. »Deinem Kumpel hat das nichts ausgemacht.«
»… nichts ausgemacht!«, äffte Ksiwa ihn nach. »Weil er mit dem falschen Körperteil gedacht hat. Er musste ja unbedingt den Romantiker raushängen lassen.«
Nata drehte sich wütend auf dem Absatz um und schlug
mit aller Wucht zu. Der Kämpfer stürzte auf die Erde, hielt sich die aufgeschlagene Lippe und warf der jungen Frau einen finsteren Blick zu.
»Halt. Dein. Maul.« Ihr Gesicht war bleich geworden, die Nasenflügel blähten sich vor Zorn.
»Na hör mal … Wo kein Feuer, da kein Rauch.«
Kondor löste seinen Blick vom Fernglas und sah den Kämpfer befremdet an, während er das Gerät in seiner Patronentasche verstaute. Ksiwa krümmte sich auf einmal zusammen und wandte sich ab.
»Da hast du Recht. Dyms Feuer ist erloschen … für immer.«
Die Stalker trennten sich. Schaman und Kondor verschwanden hinter einer Mauer. Taran führte seine Gruppe zu dem ehemaligen Autotunnel. Über eine sanft abfallende Anfahrtsrampe tauchte die Straße in zwei breite, dunkle Tunnel hinab. Dort, an der Grenze zwischen Licht und Finsternis, blieb der Wegführer stehen.
»Kontrolliert die Waffen. Schaltet die Lampen ein.«
Plötzlich fiel Ischkari auf die Knie, begann am ganzen Körper zu beben und inbrünstig sein Kauderwelsch zu murmeln. Nata versuchte den Sektierer aufzuheben, aber der winkte nur ab und blickte sie empört an.
»Schau in deine Seele, Jungfer, und erkenne, ob du bereit bist, den Rubikon zu überschreiten. Stellt euch die Frage, Brüder, ob in euren Herzen noch weltliche Unredlichkeiten sind, denn nur der Starke an Geist und Verstand wird Errettung erlangen, den Schwachen erwartet das Vergessen.«
Die Stalker blickten sich unsicher an, schauten in das sich verdichtende Dunkel vor ihnen.
»Hör auf mit dem Gelaber, du Psycho.« Ohne weiter nachzudenken, zeigte Taran auf die rechte Öffnung. »Wir gehen hier rein.«
»Was, Stalker, noch immer Schiss vor nem Strafzettel?« Der Tadschike lächelte durch seine vor Schmerz zusammengepressten Zähne.
Der Wegführer grinste zurück. »Gewohnheiten sind was Schlimmes, Farid. Ich hab seit Ewigkeiten nicht mehr am Steuer gesessen, aber von den Bullen träume ich heute noch.«
Sie rückten ins Innere vor und horchten auf Geräusche in der Dunkelheit. Am Ende folgte Ischkari mit trippelnden Schritten: Die Angst, allein zu bleiben, hatte überwogen. Ihre Schritte hallten durch die Betongewölbe des Tunnels. Unter ihren Füßen knirschte Sand. Aus der Dunkelheit tauchte ein verkohlter Kinderwagen auf. Etwas weiter trafen sie auf das Skelett eines umgekippten Jeeps mit aufgerissenen Türen. Überall hier lagen Knochen herum – allem Anschein nach menschliche. Vorsichtig rückten die Stalker weiter vor. Je tiefer sie in den Tunnel eindrangen, umso häufiger stießen sie auf halbverrottete Autos. Gleb stellte sich vor, wie die Menschen in Panik hierhergefahren waren, als sie das grelle Licht am Himmel gesehen hatten. Wie sie sich in das Innere dieses Betonschlauchs gedrängt hatten in der Hoffnung, gerettet zu werden. Beim Betrachten dieser trostlosen Details einer vergangenen Zeit empfand Gleb tiefe Trauer. Dieser Ort roch nach Verwüstung, eine Grabeskälte ging von ihm aus.
»Eine Gruft …« Ksiwa schien seine Gedanken gelesen zu haben. »Ein Ort des Todes. Bloß weg von hier.«
»Reiß dich zusammen.« Taran stieg weiter hinab, wobei er sich immer wieder nach allen Seiten umblickte.
Die Neigung hatte unterdessen aufgehört. Gleb vermutete, dass sie den mittleren Abschnitt des Tunnels erreicht hatten. Irgendwo über diesem Betongewölbe mussten sich die Wassermassen befinden. Den Jungen fröstelte. Unheilvolle Gedanken kamen ihm in den Sinn. Die Wände ringsum flößten ihm kein Vertrauen mehr ein. Jetzt begriff Gleb, warum Ksiwa ein solches Theater um den Platz ihres Nachtlagers gemacht hatte.
Der Wegführer blieb an einer Stelle stehen, an der sich zwei rechtwinklige Seitenabzweigungen öffneten.
»Links ist das Verbindungsstück zum Paralleltunnel. Und dies hier rechts scheint das zu sein, was wir brauchen.«
Über eine kleine Abstellkammer erreichten sie einen Raum mit elektrischen Schalttafeln. Am hinteren Ende befanden sich ein sperriger Ventilator und das Gehäuse der Luftzufuhr. Taran warf den Stalkern einen Blick zu, diese verstanden wortlos. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich Farid an der Wand nieder. Ksiwa nahm sein Sturmgewehr ab, ging mit dem
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