Die Reise ins Licht
einander die Suppe versalzen, so gut sie konnten. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt noch Sinn macht, da runterzugehen …«
Taran zog seine Schutzweste fest, nahm das Sturmgewehr hoch, warf einen Blick auf die Gruppe und sagte: »Überprüft eure Waffen und die Lampen. Wir gehen rein.«
14
DAS REICH DER FINSTERNIS
Die Strahlen ihrer Lampen schnitten durch die Dunkelheit, als sie den Raum der Dekontaminationskammer betraten. Der schwere Schritt der Armeestiefel war das erste Geräusch seit vielen Jahren, das die Stille dieses dämmrigen, gottverlassenen Ortes störte. Kleine Staubwolken wirbelten auf, als die Stalker das Reich der Finsternis betraten. Hinter der Kammer trafen sie auf einen weiteren Gang, der ebenfalls schräg nach unten führte. Hier machte die Gruppe einen ersten Fund: Entlang der feuchten Wände ruhten menschliche Gebeine, die zum Teil noch in vermoderte Fetzen gekleidet waren. Farid stieß unabsichtlich eines der Skelette an und fuhr zurück, als die Knochen wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen.
»Kondor, schließ die Sicherheitstür.« Taran war schon auf dem Weg nach unten. »Ich mag es nicht, wenn wir keine Rückendeckung haben.«
»Vorsicht ist besser als Nachsicht.« Der Kämpfer nickte und kehrte zu der Kammer zurück.
Die Tür schloss sich knarrend. Nun waren die Gefährten vor den Gefahren der äußeren Welt geschützt. Dennoch empfand Gleb nicht die erwartete Ruhe. Ganz im
Gegenteil, die niedrigen Gewölbe und die absolute Dunkelheit des Schutzkellers machten ihn nervös und drückten auf seine Stimmung.
Vor ihnen tat sich der erste größere Raum des Bunkers auf. Schmutz, Abfall und Unrat vermischten sich hier auf abscheuliche Weise mit halbverwesten menschlichen Überresten. Das alles ähnelte eher einer Gruft als einem Luftschutzkeller. Gleb folgte seinem Meister auf dem Fuß, stieg vorsichtig über die weiß glänzenden Knochen und bedauerte bereits, dass er nicht als Wache oben zurückgeblieben war. Doch jetzt war es zu spät, sich darüber aufzuregen. Das Einzige, was sich der Junge jetzt wünschte, war, dieser widerwärtigen Angst nicht nachzugeben wie damals im Keller des Krankenhauses. Doch zum Glück war der Rücken seines Meisters ganz in der Nähe zu sehen, und so ließ die Panik allmählich nach.
Sie setzten die Durchsuchung fort, folgten schimmlig grünen Wänden immer tiefer hinein in diese dunklen Katakomben. Eine weitere Halle tauchte vor ihnen auf. Doppelstockpritschen, Bänke, Waschbecken – alles war von dem Schimmelpilz überzogen. Mit jedem Schritt gab es mehr davon. Unter den moosartigen, dunkelgrünen Hügelchen auf dem Boden waren die menschlichen Überreste kaum zu erkennen. Zu allem Überfluss stand auch noch ein Teil des Raumes unter Wasser. Die Stalker wateten durch die knöcheltiefe, ölige Flüssigkeit und stießen auf die Ruinen eines Depots. Leere Regale, morsche Kisten, willkürlich im trüben Wasser schwimmende Atemschutzmasken.
»Was haben die denn hier veranstaltet?« Der Mechaniker betrachtete befremdet einen verrosteten Kanonenofen,
auf dem ein verrußter Kessel stand. Daneben lagen auf dem Boden eine Gürtelschnalle, eine Schuhsohle und die Lehne eines ausgeweideten Sessels.
Taran genügte ein einziger Blick. »Die haben Leder zerkocht. Hier hat Hunger geherrscht.«
Gleb zuckte zusammen. Auch an der Moskowskaja hatte es Hungerzeiten gegeben. Daran erinnerte sich der Junge lieber nicht. Wenn in deinem Magen nichts ist außer Schmerzen, und du dieses brennende Gefühl nur dann unterdrücken kannst, wenn du deinen protestierenden Organismus durch ständiges Wassertrinken täuschst, dann hat das Leben seinen Sinn verloren.
Je tiefer sie kamen, desto schrecklicher wurde der Anblick.
Der Luftschutzkeller erwies sich als ziemlich weitläufig. Der Anzahl der Skelette nach zu urteilen, hatten ziemlich viele Menschen hier Zuflucht gefunden. Doch warum hatten sich an jenem schicksalhaften Tag so viele auf dem Werksgelände befunden? Tarans Bericht zufolge war das Werk zum Zeitpunkt der Katastrophe bereits mehrere Jahre so gut wie stillgelegt gewesen … Gedankenverloren ging der Junge weiter, blieb an irgendwas hängen und wäre beinahe auf den Betonboden gestürzt. Der Lichtstrahl fiel auf ein weiteres Skelett, das sich durch den Stoß mit leisem Knirschen in seine Einzelteile auflöste. Unter dem modrigen Lumpenhaufen ragte eine schmutzige Plastiktüte hervor.
Irgendwas an diesem Päckchen machte Gleb neugierig. Es musste etwas
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