Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
Kätzchen. Aber vielleicht war auch das nur Illusion, überlegte er.
Inzwischen hatte sich auch die Imbissbude aufgelöst und sie saßen auf hölzernen Stühlen an einem hölzernen Tisch, anstatt an einem aus weißem Kunststoff. Das Licht stammte jetzt nicht mehr aus den farbigen Lampions, sondern kam aus einem Gebilde, das aussah wie ein Eispalast und neben der Straße in die Wand hinein gebaut war. Der Kristallpalast, vor dem sie Doktor Dampfeisen gewarnt hatte.
»Was tust du hier? Wusstest du, dass wir kommen würden?« Eliane hielt den kleinen Kerl fest im Griff.
»Ich lebe in Nirwana, ich bin hier zu Hause.«
»Nirwana ist oben, wieso bist du hier unten?«
»Ja, Nirwana liegt genau über uns. Ich komme oft hierher. Es ist wunderbar und es erinnert mich an meine Vorfahren.«
»Was haben denn deine Vorfahren mit dem Kristallpalast und der Straße zu tun?«
Der katzenartige Illusionist seufzte.
»Bitte lass mich los. Ich werde nichts mehr imaginieren, solange ihr hier seid, versprochen.«
»Gut, aber ich setzte mich an deine Seite und wenn es wieder losgeht, hast du ein Loch im Kopf.« Eliane entließ den Kleinen aus dem Griff und rückte ihren Stuhl neben ihn.
»Es tut mir leid, dass ihr in Fort Watt schlechte Erfahrungen mit einem Abtrünnigen gemacht habt. Doch die meisten Pelzigen sind nicht böse geworden.«
»Wie kommt es, dass ich noch nie von euch Pelzigen gehört, geschweige denn einen gesehen habe, bis zu dem Zwischenfall im Fort?«
»Wir sind nicht viele und wir leben sehr zurückgezogen in Nirwana. Du kannst hundertmal mit dem Eisexpress von Victoria nach Orb fahren, ohne einem von uns zu begegnen. Die meisten Leute wissen gar nicht, dass wir existieren.«
»Diese Abtrünnigen, arbeiten sie mit den Schremp zusammen?«
»Ich fürchte ja. Vermutlich auch der, den ihr in Fort Watt getroffen habt. Sie haben sich wieder unseren alten Herren zugewendet.«
»Ihr seid die Sklaven der Schremp gewesen?«, fragte Martin.
»Nein, nicht Sklaven, sondern treue Begleiter. Wir waren ihre Maskottchen.«
»Maskottchen der Schremp? Was ist denn das für eine abstruse Geschichte? Du willst uns doch bloß was vormachen!«, sagte Eliane.
»Nein, wir waren den Schremp immer treu ergeben, bis wir auf diesen Eisplaneten gekommen sind und unsere Herren ihr Gedächtnis verloren haben und zu primitiven Blutsaugern geworden sind.«
»Das wird ja immer fantastischer. Ihr seid mit den Schremp nach Tiffany gekommen?«
»Ja, unser Weltenschiff ist hier gestrandet. Drüben in Orb. Die Schremp waren die ursprünglichen Siedler dieser Welt.«
»Die Alten!«, sagte Martin verblüfft. »Die Schremp sind identisch mit den Alten! Aber wieso sind sie zu dem geworden, was sie heute sind?«
»Das weiß ich nicht. Die Schremp waren hochintelligente und sehr liebenswürdige Wesen. Sie waren so gescheit, dass sie niemand im Universum verstanden hat. Ihre Gedanken bewegten sich in höheren Sphären. Doch sie meinten es gut mit uns und hätten nie jemandem etwas Böses getan. Sie haben sich an unseren Illusionen erfreut und wir haben alles bekommen, was wir zum Leben brauchten. Nachdem unser Weltenschiff gestrandet war und die Mikromechanischen es nicht mehr reparieren konnten …«
»… die Mikromechanischen waren die Roboter der Schremp?«
»Sie haben die komplizierte Technik der Schremp unterhalten. Als dann die Schremp degenerierten, sind sie ihren eigenen Weg gegangen. Sie haben sich genauso zurückgezogen wie wir und leben nun im Æther über dem Planeten.«
So war das also, dachte Martin. Die Schremp waren mit ihrem Raumschiff auf Tiffany notgelandet, zusammen mit ihren Haustieren, den pelzigen Illusionisten und ihren Robotern, den Mikromechanischen. Dann waren sie innert kurzer Zeit degeneriert. Vielleicht aufgrund einer Krankheit oder aufgrund der besonderen Umwelt Tiffanys.
»Jetzt ist mir vieles klar geworden«, sagte Martin.
»Mir auch«, antwortete Eliane. »Diese Zusammenhänge waren mir nicht bekannt. Für mich waren die Schremp primitive Monster, die seit Urzeiten die Unterwelt dieses Planeten bevölkerten, und die Mikromechanischen betrachtete ich als eine Art Unterkategorie der Mechanischen.«
»Bleibt nur noch die Frage, wie die Menschen nach Tiffany gelangt sind und immer noch nach Tiffany kommen.«
»Es hat mit dem Kristallpalast zu tun«, erklärte der Illusionist. »Er wurde von den Alten gebaut und scheint eine Art Maschine zu sein. Doch um ihn zu verstehen, müsste man über das Wissen und die
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