Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
viel.«
»Wieso? Warst du zuhause in einem Büro tätig und hast den ganzen Tag am Computer gesessen.«
»Nein, nein. Ich kenne mich mit Elektronik aus. Aber ich weiß nicht, wozu das hier gut sein sollte. Die entsprechenden Komponenten fehlen. Transistoren baut man nicht einfach mit einer Zange und etwas Draht.«
»Auch Elektromotoren nicht«, entgegnete Thomas. »Aber es gibt hier viele Dinge, die man zweckentfremden kann. Es ist alles nur eine Frage der Fantasie.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»Wenn du wirklich mit Flix Krok verwandt bist, dann hast du sicher auch etwas von seinem Genie in dir. Ich denke, ohne ihn hätten die Leute in der Oberstadt nicht überleben können.«
»Du denkst dabei an die Homunkuli. Hat er sie erschaffen?«
»Ich vermute es.«
»Was sind diese Wesen eigentlich? Menschenklone, Maschinen oder gar eine Mischung aus beidem?«
»Ich weiß es nicht, aber ich habe einen Verdacht und der gefällt mir ganz und gar nicht. Doch solange ich keine Beweise habe, möchte ich nicht darüber sprechen. Hol mir doch bitte die kleine graue Kiste dort drüben.«
Martin spielte für Thomas den Handlanger, während dieser an seiner Maschine werkelte. Beim Suchen in den Kisten stieß er nicht nur auf viel Unbekanntes, sondern auch auf Dinge, die die erstaunliche Technik dieser Welt offenbarten. Darunter waren kleine und aus einem unbekannten und leichten Material gefertigte Dampfturbinen, welche mit einem Schraubenmotor ausgerüstet waren, und winzige nanomechanische Rechner, die in der Lage waren, komplexe Vorgänge zu regeln und zu steuern. Interessant waren auch die kompakten Überhitzer, die den Dampf aufluden und so Heißdampf produzierten. Er fand sogar elektrische Bauteile, die ihn erstaunten. Zum Beispiel große Kondensatoren mit Glimmerisolation. Wozu sie in einer Gesellschaft gebraucht wurden, die Elektrizität nur zur Beleuchtung einsetzte, war ihm schleierhaft. Thomas‘ Elektromotor nahm unterdessen immer mehr Form an und Martin musste feststellen, dass es sich dabei um eine sehr primitive und ineffiziente Maschine handelte. Der Motor hatte zu große Luftspalten, besaß nur einen zweipoligen Anker und lief nicht rund. Auch die Batterien, die er zuhinterst in der Hall neben der Dampfdusche fand und herbeischleppte, schienen ihm nicht geeignet für diesen Zweck. Es waren einfache und schwere Bleiakkumulatoren. Eine Auflademöglichkeit unterwegs war nicht vorgesehen. Er bezweifelte, dass sie damit bis nach Stonehenge kommen würden. Dabei hatte er in einem wasserdicht verschlossenen Eisenfass eine wesentliche bessere Energiequelle entdeckt. Es war mit Karbonfluxern gefüllt, die er schon auf der Fahrt mit der 411er-Lokomotive kennengelernt hatte, bläulich schimmernde Zylinder in der Größe der Kartonrollen, auf die Toilettenpapier aufgewickelt war. Er fragte sich, wieso Thomas partout an seinem Elektromotor festhielt. Als er ihn danach fragte, erhielt er eine erstaunliche Antwort:
»Ich bin bisher immer mit Elektromotoren geflogen, allerdings mit besseren Batterien. Ich kenne diesen Typ Motor, er lässt sich auch unter den widrigsten Umständen noch reparieren. Im Gegensatz zu den kleinen Dampfmaschinen. Wenn sie kaputt sind, musst du den ganzen Block wegschmeißen.«
»Wir könnten ja eine Reservemaschine mitnehmen.«
Thomas schaute ihn darauf schief an und erklärte:
»In der Welt, aus der ich stamme, haben sich Elektromotoren bestens bewährt. Es wird praktisch nichts anderes verwendet, auch keine Dampfmaschinen. Wieso sollte ich nicht auf Bekanntes und Bewährtes setzen?«
»Du kommst aus London, dort fahren die Automobile doch auch mit Benzin und Diesel wie überall und nicht elektrisch. Auch die Flugzeuge fliegen ja mit Kerosin.«
Thomas staunte.
»Mit Benzin und Diesel? Mit Kerosin? Junge, Junge, das hätte ich nicht gedacht. Wir beide stammen in diesem Fall aus sehr unterschiedlichen Welten. Deine muss eine stark verschmutzte Atmosphäre haben. Und dann erst die Endlichkeit dieser kostbaren Ressourcen! Was macht ihr, wenn das Erdöl zur Neige geht? Oder ist deine Welt nur spärlich bevölkert, sodass das keine Rolle spielt?«
Jetzt war es an Martin, zu staunen. Bisher hatte auch er angenommen, sie würden beide aus der gleichen Außenwelt stammen, und er hatte sich deshalb mit Thomas auf eine gewisse Art verbunden gefühlt. Doch jetzt musste er zur Kenntnis nehmen, dass dem nicht so war.
»Bei euch läuft alles mit Strom? Wo kommt denn der her, etwa aus Kohle oder
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