Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
Oberstadt von Stahldorf dran glauben müssen. Denn die Mechanischen werden nicht nur einen Ekranoplan erhalten, sondern auch Dampfschrauber.«
Der Richter gab auf Thomas Erklärung nicht sofort Antwort. Minuten verstrichen in Stille, niemand sprach ein Wort. Doch dann sagte er: »Ich verstehe, Thomas Außenweltler. Sie wollen Stonehenge warnen.«
»Genau, und dazu gibt es nur einen Weg: den mit einem Luftschiff über die eisigen Hochebenen. Ich bin Pilot, wie Sie sicher wissen, und ich kann es schaffen.«
Wieder verstrich eine Pause, dann sprach der Richter:
»Diese Abmachung ist akzeptiert und die Todesstrafe wird hiermit auf den Zeitpunkt Ihrer Rückkehr vertagt, Thomas Außenweltler.«
»Ich schätze Ihr Entgegenkommen, Hohes Gericht. Doch damit dieser Deal zustande kommen kann, brauche ich einen Co-Piloten. Hiermit beantrage ich, dass mir Martin Dampfbusch zugeteilt wird und der Anschluss an den Konjugator bis zu seiner Rückkehr aufgeschoben wird.«
»Diesem Antrag wird stattgegeben. Sie beide sind frei und die Homunkuli werden Sie in den Kessel begleiten. Dort befinden sich eine alte Werkstätte von Flix Krok und zugleich der Startplatz für Ihr Unternehmen. Meine Herren, die Verhandlung des Hohen Gerichts ist hiermit beendet.«
IM KESSEL
Der Weg in den sogenannten Kessel war lang. Immer wieder mussten sie vom einen Paternoster in einen anderen Umsteigen. Dabei wurden sie streng bewacht. Insgesamt begleiteten sie sechs Homunkuli; zwei bildeten die Vorhut, zwei die Nachhut und zwei blieben dicht bei ihnen. Auf ihrem Weg vom einen Aufzug zum anderen, über glitschige Treppen und durch düstere Gänge begegneten sie niemandem und die Umsteigestationen der Paternoster-Aufzüge waren einfache, in den Fels gehauene Kavernen.
»Was hat es mit diesem Kessel auf sich?«, fragte Martin, als sie zusammen in einer Paternosterkabine standen.
»Ich denke, ich weiß, was damit gemeint ist, obschon mir bisher nicht bekannt war, dass ein solcher Ort mit Stahldorf zusammenhängt. Es müsste eigentlich Loch und nicht Kessel heißen«, entgegnete Thomas. »Aber wenn du drin stehst, hast du den Eindruck in einem Felsenkessel zu stehen, ein gottvergessener Ort, von mächtigen Wänden eingeschlossen.«
»Mitten im Gebirge?«
»Wenn du so willst. Man kann diese Welt, in der wir uns befinden, als ein einziges Gebirge betrachten, und in diesem Fall ist der Kessel ein unzugängliches Hochtal. Wenn du aber in großer Höhe mit einem Luftschiff unterwegs bist, so sieht die Wahrheit anders aus.«
»In großer Höhe? Isabelle hat mir gesagt, dass die Luftschiffe nicht so hoch fliegen können.«
»Die normalen Luftschiffe nicht, sie kriechen wie Kröten durch die Gräben dieser Welt. Die eisigen Stürme in der Höhe würden sie zerfetzen. Doch mit einem Schiff, wie ich es hatte, ist es durchaus möglich, die Löcher und Gräben zu verlassen und über die Weiten der Hochebene zu ziehen.«
»Löcher und Gräben?«
»Ja, genauso sieht es von oben aus. Diese Welt ist in Wirklichkeit eine Eiswelt, öde, monoton und ohne nennenswertes Gebirge. Auf ihr wäre Leben nicht möglich, wären da nicht die Löcher, wie der Kessel, zu dem wir unterwegs sind, oder die Gräben wie der, in dem der Giftsee und Stonehenge liegen.«
Martin dachte an die Felswände, die er vom Küchenfenster und von seinem Schlafzimmer aus gesehen hatte. Er hatte den Eindruck gehabt, ihre Stadt liege in einem tiefen Tal, einer Felsenschlucht ähnlich. So wie der Grand Canyon in den Vereinigten Staaten von Amerika, nur breiter und tiefer.
»Weißt du, wie der Ort heißt, woher ich komme? Ich meine den Ort, an dem ich in dieser Welt gelandet bin?«
»Vermutlich Tiffany. Ein kleines Kaff oberhalb des Giftsees, fast am Ende des Stonehenge-Grabens.«
»Seltsam, dort, wo ich vorher lebte, hieß das Städtchen in der Nähe Tarnsend, und es lag nicht in einem Canyon.«
»Und ich komme ursprünglich aus London«, sagte Thomas.
Martin hätte gerne noch mehr über die Welt erfahren, in die es ihn verschlagen hatte, doch da war ihre Reise zu Ende. Als sie aus dem Aufzug traten, schienen über ihnen zwei Sonnen an einem grauen Himmel. Martin schloss geblendet die Augen.
»Die zwei Schwestern«, erklärte Thomas. »Die Ältere überholt gerade die Jüngere. Setz endlich deine Goggles auf die Nase, dann siehst du auch etwas.«
Martin gehorchte und setzte sich die Brille auf.
»Jetzt verstehe ich, wofür diese komischen Dinger taugen«, murmelte er.
Thomas
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