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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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und was sonst noch alles.
    Aber das ist nichts für uns, das haben uns Peter der Große und Nikolaj Kibaltschitsch aufgeschwätzt, während unsere Berufung ganz und gar nicht da liegt, sie liegt ganz woanders! In einem Bereich, in den ich euch einführen will, wenn ihr euch nicht dagegen sträubt! Ihr werdet sagen: »Die Berufung ist langweilig und verlogen.« Aber ich sage und wiederhole es noch einmal: »Es gibt keine verlogene Berufung, man muß jede Berufung achten.«
    Und überhaupt, ihr könnt mir langsam den Buckel runterrutschen! Laßt doch die außergalaktische Astronomie den Yankees und die Psychiatrie den Deutschen. Soll dieses spanische Gesindel doch seine Corrida haben, sollen doch diese Schurken von Ägyptern ihren Assuandamm bauen, sollen sie doch, diese Schurken, er wird ihnen sowieso vom Wind weg geweht. Soll sich Italien an seinem blödsinnigen Belcanto verschlucken, nur zu!
    Wir aber, ich wiederhole, wenden uns dem Schluckauf zu.

Kilometer 33 — Elektrougli
    Um mit seiner Erforschung beginnen zu können, muß man ihn natürlich erst hervorrufen: entweder »an sich« (siehe Immanuel Kant), das heißt, in sich hervorrufen, oder aber in einem anderen, aber im eigenen Interesse, das heißt »für sich« (siehe Immanuel Kant). Besser noch natürlich weder »an sich« noch »für sich«, sondern so: trinkt zwei Stunden lang irgendwas Starkes, Wodka, Kräuter- oder Jägerschnaps. Trinkt es in großen Gläsern, jede halbe Stunde eins, und vermeidet nach Möglichkeit, etwas dazwischen zu essen. Wenn das jemandem schwerfällt, kann er einen Happen zu sich nehmen, aber nur ganz bescheiden: etwas Brot, nicht zu frisch, etwas Dosenfisch, einfach, in Kräuter- oder Tomatensauce.
    Dann müßt ihr eine einstündige Pause machen. Ihr dürft nichts essen und nichts trinken. Lockert die Muskeln und strengt euch nicht an.
    Und ihr werdet selbst sehen: nach Ablauf dieser Stunde, hick!, wird er einsetzen. Wenn ihr zum erstenmal schlucken müßt, werdet ihr euch wundern, mit welcher Plötzlichkeit er beginnt. Und dann werdet ihr euch wundern, wie unabwendbar er ein zweites Mal hochkommt, ein drittes Mal etc. Aber wenn ihr keine Dummköpfe seid, dann hört ihr schon vorher auf, euch zu wundern und geht an die Arbeit: nehmt ein Blatt Papier und schreibt auf, in welchen Intervallen der Schluckauf euch beehrt, in Sekunden natürlich:
    Acht — dreizehn — sieben — drei — achtzehn.
    Ihr müßt natürlich versuchen, eine gewisse Periodizität herauszufinden, wenigstens eine ganz, ganz vage. Wenn ihr doch Dummköpfe seid, dann versucht wenigstens, auf irgendeine wahnwitzige Formel zu kommen, um die Länge des folgenden Intervalls annähernd vorherbestimmen zu können. Bitte. Das Leben wird euch sowieso noch seine Streiche spielen:
    Siebzehn — drei — vier — siebzehn — eins — zwanzig — drei — vier — sieben — sieben — achtzehn.
    Man sagt, die Führer des Weltproletariats, Karl Marx und Friedrich Engels, hätten das Schema der gesellschaftlichen Formationen gründlich studiert und auf dieser Grundlage vieles vorhergesehen. Aber in diesem Fall wären auch sie außerstande, auch nur das Geringste vorherzusehen. Ihr seid aus eigener Lust und Liebe in die Sphäre des Fatalen eingetreten, nun seid fügsam und geduldig. Das Leben wird sowieso eure elementare und auch eure höhere Mathematik ad absurdum führen:
    Dreizehn — fünfzehn — vier — zwölf — vier — fünf — achtundzwanzig.
    Gibt es etwa in der Folge von Aufstieg und Fall, Glück und Unglück eines jeden Menschen auch nur den geringsten Hinweis auf irgendeine Regelmäßigkeit? Gibt es etwa eine Regelmäßigkeit in der Aufeinanderfolge von Katastrophen in der Geschichte der Menschheit? Das ist ein Gesetz, das höher ist als wir. Der Schluckauf ist höher als jedes Gesetz. Und so wie uns eben erst die Plötzlichkeit seines Beginns verwundert hat, so wird euch jetzt sein Ende verwundern, das ihr wie den Tod nicht Vorhersagen und nicht verhindern werdet:
    Zweiundzwanzig — vierzehn — aus. Stille.
    Und in diese Stille hinein sagt euch euer Herz: Er ist unerforschlich, und wir sind hilflos. Wir sind ganz einfach jeder Willensfreiheit beraubt, wir sind der nackten Willkür ausgeliefert, die keinen Namen hat und vor der es kein Entrinnen gibt.
    Wir sind kleine, angsterfüllte Geschöpfe, und sie ist allmächtig. Sie, die Hand Gottes, die über uns allen schwebt und vor der nur ein Kretin und Ignorant sein Haupt nicht beugen wird.
    Er ist unfaßbar

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