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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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die Euphorie wahrscheinlich in einer Flut von Ängsten und Ressentiments untergehen. Doch wehrt sie solche Störungen unbewußt ab, um
    in differenten Erfahrungsbereichen Klarheit gewinnen zu können. Andere mögen Ausfälle auf anderem Gebiet haben. Da gibt es solche, die alles als schön sehen, ausgenommen sich
    selber, so daß der Gedanke an ihr persönliches Leben oder
    schon allein der Anblick ihres Spiegelbildes ihren Himmel in
    eine Hölle verwandelt. Andere wiederum mögen der Wahrnehmung von Menschen und dem Gedanken an sie ganz ausweichen, wie aldous huxley bei seinem ersten Selbstversuch mit Meskalin, den er in Die Pforten der Wahrnehmung schildert.
    Wieder bei anderen fließt alles wunderbar dahin, solange sie die
    Augen geschlossen halten und jeden Kontakt zur Außenwelt
    vermeiden; andere dagegen erleben die Außenwelt höchst an-
    genehm, unterlassen es aber, sich zu isolieren und die Augen zu
    schließen aus Furcht vor der Entfaltung ihrer Fantasie.
    All diese Formen des Ausweichens sind ihrem Wesen nach
    Ausdruck der Phobien der Alltagspersönlichkeit, und will man
    ihnen zu Leibe rücken, steht man wie stets in der Psychotherapie vor der Wahl zwischen zwei Strategien: Entweder versucht man die Blockierungen zu umgehen, um die gesunden Aspekte
    der gestörten Persönlichkeit zu verstärken und zu fördern, oder
    man versucht die Blockierungen zu sprengen, indem man sich
    hineinstürzt in das Gewirr der Verzweiflung und gemiedenen
    Gedanken. Entscheidet man sich für die erste, ist damit eine
    Abkürzung des Weges in den Himmel verbunden, durch die
    sich aber nach der Rückkehr auf die »Erde« an der Situation
    36

    nichts wesentlich ändert oder besser verstanden wird. Entscheidet man sich für die zweite Strategie, die irdischen Nöte anzupacken, wobei nur geringe Aussicht besteht, sich über sie zu erheben, ist die Chance, etwas zu verändern, weit größer. Diese
    Wahl zwischen den beiden Arten der Erfahrung entspricht der
    Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, nämlich der sehr wertvollen, durch ein offenes Fenster blicken zu können, oder der, ein daneben liegendes Fenster zu öffnen, dessen Läden zur Zeit
    noch geschlossen sind. Der Erfolg dieses letzteren Unternehmens wird vermutlich darin bestehen, eine Handbreit mehr Licht einzulassen; es wird nicht den Blick auf die Landschaft
    freigeben, die man aus dem bereits geöffneten Fenster zu überblicken vermag. Doch wird diese Strategie insofern bleibenden Gewinn bringen, als es nun einen Ort mehr im Gehäuse gibt,
    von dem aus man den Blick in die Weite genießen kann.
    Das soll nicht bedeuten, der ersten Art der Erfahrung fehle es
    an
    persönlichkeitsveränderndem
    Wert. Die Macht
    inneren
    Werterlebens kann einem Menschen die Kraft verleihen, und
    sogar den Wunsch in ihm auslösen, die Blockierung, die weiteren Werterlebnissen im Wege steht, beiseite zu räumen. Der Anblick des Ziels ist es, der den Wanderer voranzieht, denn je
    mehr er sich ihm nähert, desto besser kann er es sehen. Und
    wiewohl ein junges Stämmchen vor Hasen geschützt werden
    muß, kann doch der ausgewachsene Baum dazu dienen, einen
    Elefanten im Zaum zu halten. So kann man das Umgehen der
    Konflikte ruhig mitansehen, wenn man sich nur nachdrücklich
    um Entwicklung und Äußerungsfähigkeit der Persönlichkeit
    bemüht. Dann kann die gesunde Entwicklung im Lauf der
    psychotherapeutischen Behandlung sich auf dem Wege transzendenter Erfahrung auf die gestörten Funktionsbereiche ausdehnen und sie schließlich beheben.
    So gibt es zwei entgegengesetzte Möglichkeiten zur psychologischen Heilung, die aber miteinander vereinbar sind und sich sogar gegenseitig ergänzen.
    In der visionären Erfahrung sieht die christliche Theologie eine
    Gnade, eine Gabe, die sowohl dem Heiligen als auch dem
    Sünder zuteil werden kann, die der einzelne entweder zu nutzen
    versteht oder zu nutzen versäumt. Das Erlebnis psychischer
    Disharmonien dagegen ist die via purgativa , der zu ersteigende
    Berg. Je höher der Pilger auf diesem Berg der Läuterung gelangt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er der nie versiegenden Himmelsgabe teilhaftig wird. Je größer die Gna37

    dengabe,
    desto
    sicherer
    wird
    sein
    Orientierungsvermögen,
    seine Hoffnung, seine Zuversicht und sein Wille, den Berg zu
    erklimmen.
    Beide Wege finden wir in den spirituellen Praktiken in aller
    Welt reich vertreten. Einige legen das Schwergewicht auf die
    unmittelbare Erkenntnis der Realität und die

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