Die Reise zum Ich
sich
unter MDA-Einwirkung trotz Regression seines gegenwärtigen Selbst bewußt. In beiden Fällen jedoch handelt es sich um mehr als konzeptuale Erinnerungen an frühere Situationen, da
dem Wachbewußtsein unzugängliche lebhafte visuelle und sensorische Eindrücke erlebt werden, auf die der Patient gewöhnlich in einer Weise reagiert, die zum Geschehenen in keinem Verhältnis steht. Es handelt sich hier um den gleichen Prozeß,
der in der Dianoetik mit »Rückkehr« bezeichnet wird und von
Hypermnesie und Wiederholung vergangener Erfahrung begleitet werden kann, wobei in manchen Fällen nicht allein frühere psychische, sondern auch physische Schmerz- und Lustgefühle noch einmal durchlebt werden.
Diese Form der Regression ist verschiedentlich von Psychotherapeuten bei Anwendung von LSD und Meskalin beobachtet worden. Andere, die diesen Terminus unverbindlicher gebrauchen, meinen, Regression sei ohnehin eine regelmäßige Erscheinung, da ja stets eine Versetzung in eine präverbale, für die frühkindliche Phase charakteristische Mentalität unter vor
übergehendem Verzicht auf die normalen Verhaltensmuster
vor sich gehe.
Deutlicher noch ist die Regression bei Anwendung von MDA;
nicht nur geistige Funktionen und Reaktionen verändern sich,
auch das Erinnerungsvermögen erweitert sich auf konkrete
Vorgänge. Dies kann auch unter Einwirkung anderer Halluzinogene oder sogar ohne jede Drogeneinwirkung eintreten, insbesondere wenn es mittels anderer therapeutischer Methoden angestrebt wird. Zumal Ibogain bietet sich wegen des Reichtums an sensorischen Empfindungen zur Erhellung bestimmter Vorgänge im Leben des Patienten an. Bei MDA jedoch tritt
Regression so häufig und spontan auf, daß man sie als typisch
für diese Substanz bezeichnen kann, - als therapeutisches Mittel von primärem Wert.
Besser als generelle Informationen vermitteln meiner Meinung
nach die einzelnen Fallgeschichten das für die psychiatrische
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Nutzung erforderliche subtilere Verständnis für die Wirkungen
der verschiedenen Drogen. Aus ihnen habe ich gelernt, was
immer ich zu sagen haben mag, und ich finde, daß ich es am
besten mitteilen kann, wenn ich über Vorgänge berichte, deren
Zeuge ich im psychotherapeutischen Gespräch geworden bin,
mögen sie auch bisweilen kaum greifbar sein. Im folgenden
werde ich einen Überblick über einige Ergebnisse meiner
MDA-Therapie geben, für die ich mich deshalb entschied, weil
sie die stärksten persönlichkeitsverändernden Wirkungen erzielt. Wie sich zeigen wird, haben sie den Patienten neue Einsichten über frühere Erlebnisse beziehungsweise neue Aspekte vermittelt. Hierin unterscheidet sich der Heilungsprozess von
dem bei Anwendung von Harmalin, MMDA oder sogar
Ibogain.
Der erste hier dargestellte Fall ist gleichzeitig der erste, bei dem
ich MDA zu therapeutischen Zwecken anwandte. Der Patient,
Ingenieur in leitender Position und Professor der Betriebswirtschaft, hatte sich aus beruflichen Gründen mit Psychologie befaßt und war dabei zu der Erkenntnis gelangt, daß das Leben
im allgemeinen und insbesondere sein eigenes bereichert und
vertieft werden könne. Auf meine Frage, weshalb er sich gerade
einer
psychotherapeutischen
Behandlung
unterziehen
wolle,
entgegnete er mir, er habe das Gefühl, die ihm innewohnenden
Fähigkeiten nicht restlos ausgeschöpft oder zur vollen Entfaltung gebracht zu haben: »Berufs- und Liebesieben wurden bei mir vom Zufall bestimmt. Ich hatte wenig Einfluß auf den
Verlauf meines Lebens.«
Dies sei einem Mangel an Selbstvertrauen zuzuschreiben, der
sich in Zweifeln an seinem Urteilsvermögen und Tun äußere
und ihn mannigfaltigen Formen äußeren Drucks aussetze. »Das
mag für die Menschen, mit denen ich zusammenlebe, angenehm sein. Ich aber bin nicht zufrieden. Ich möchte meinem Leben mehr Richtung geben, und dazu müßte ich mehr Festigkeit zeigen.« Auch mache seine innere Unsicherheit ihn verletzlich, so daß manchmal schon Kleinigkeiten ihn aus der Fassung brächten: Am meisten irritierten ihn kritische Äußerungen seiner Frau. Er empfand wenig Zuneigung für sie und hatte schon an Scheidung gedacht, hing aber zu sehr an seinen
Kindern, um sein Heim zu verlassen. Auf die Frage, was er sich
denn von psychiatrischer Hilfe erhoffe, erwiderte er: »Ich
möchte wissen, was ich mit den Fähigkeiten, die ich besitze,
anfangen soll. Ich möchte ein besserer und nützlicherer Mensch
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werden und mir ein neues Glück
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