Die Reise zum Ich
erringen. In meinem tiefsten
Innern war ich stets unbefriedigt. Ich möchte wissen, daß ich
etwas wert bin. Das ist mein größtes Problem; es hemmt mich
bei meinen Entscheidungen. Auch möchte ich mir darüber
klarwerden, woran das liegt.«
Ich schlug ihm eine Behandlung von etwa zwei Monaten Dauer
mit wöchentlichen Gesprächen vor, zu welchem Zweck er eine
schriftliche
Lebensbeschreibung
liefern
sollte;
daran
würde
sich eine ganztägige Behandlung mit MDA und zuletzt noch
Gruppentherapie anschließen. Seine Lebensbeschreibung war
sehr bedacht abgefaßt. Es wird interessant sein, sie mit seinen
Äußerungen unter MDA-Wirkung und im Anschluß daran zu
vergleichen. Ich zitiere Teile aus ihr:
»Meine Mutter war eine sensible, allgemein interessierte,
hart arbeitende Frau. Sie liebte ihre Familie zutiefst, was sich
in dem beständigen Wunsch nach Verbesserung unserer
Lage zu unser aller Wohlergehen äußerte. Dafür opferte sie
ihre ganze Kraft. Ich hing sehr an ihr.
Mein Vater war ein robuster, guter, ehrlicher Mensch. Von
sich
selbst überzeugt, konnte er manchmal großzügig,
manchmal egoistisch sein. Er war in einem spanischen Dorf
unter strenger Zucht aufgewachsen und daher sehr arbeitsam. Sein Leben war nach einigen einfachen Regeln und bestimmten
allgemeingültigen
moralischen
Grundsätzen
ausgerichtet.«
Die früheste Kindheitserinnerung des Patienten:
»Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem es an nichts
fehlte. Am deutlichsten erinnere ich mich an das Eßzimmer.
Es war groß, einigermaßen üppig oder zumindest gutbürgerlich eingerichtet. Uber einem auf Hochglanz polierten Mahagonitisch hing eine elektrische Klingel. Hinter den Glastüren des Wandschranks standen Ziertassen.
Bei Tisch hatte ich meine Not mit dem französischen Weißbrot; ich glaubte, in seinen Löchern hätten sich Würmer verborgen, und so mochte ich es nicht essen. Ich entsinne
mich meiner Mutter, am Tisch sitzend, verschiedener Dienstmädchen, einiger Onkel und meines Großvaters väterlicherseits. Für sie alle war ich das liebe Kind, und ich glaube, sie haben mich ziemlich verwöhnt, da ich lange Zeit das einzige
Kind war.«
Und weiter heißt es:
»Ich hatte damals eine Amme; es hieß, meine Mutter habe
42
keine Milch gehabt. Dieser Amme erinnere ich mich aus
einer späteren Zeit meines Lebens, sie wurde meine Kinderfrau.«
Uber die Zeit bis zum Schuleintritt berichtet er von finanziellen
Schwierigkeiten seiner Eltern, von seinem tiefem Kummer, als
ihm versehentlich eine Halskette seiner Mutter ins Kaminfeuer
fiel, daß er den Geschlechtsverkehr eines der Dienstmädchen
mitansah, Überlegungen über die weiblichen Genitalien und
über Schwangerschaft anstellte und daß er im Alter von sechs
Jahren einen Bruder bekam. Über diese Zeit sagt er lediglich:
»Ich war damals ein armer Junge.« Diese Äußerung steht im
Kontrast zu seinen angenehmen Erinnerungen an das erste
Schuljahr auf einer amerikanischen Schule und spätere Jahre
auf einer englischen Schule; in beiden Fällen hielt er sich für bei
Lehrern und Klassengefährten gleichermaßen beliebt.
Von den zwanzig Seiten seiner Biographie sind nur fünf seinem
vorschulischen Lebensabschnitt gewidmet, doch gerade diese
Zeit war eine höchst wesentliche, wie sich unter MDA-Einwir-
kung herausstellte. Im übrigen ist in seinem Bericht hauptsächlich von Schule und Leistung die Rede, und nur kurz erwähnt er den Tod seiner Mutter während seines ersten Jahres an der
Universität und schließlich eine relativ kühle Liebesbeziehung,
die zur Heirat führte. Verschiedene Vorgänge lassen eine lebenslängliche Scheu vor Frauen und Sex erkennen, der er sich vollauf bewußt war. Er schließt seinen Bericht mit dem Hinweis
auf seine innere Unsicherheit und geringe Selbsteinschätzung,
die seiner Meinung nach auf häusliche Einflüsse in frühester
Kindheit und Schulzeit zurückzuführen sind.
Anderthalb Stunden nach der Einnahme von 120 mg MDA
fühlte sich der Patient, von einer außerordentlich kurzen Wahrnehmungsveränderung nach der ersten Stunde abgesehen - der Hügel gegenüber sah plötzlich aus wie ein Löwe-, vollkommen
normal. Von diesem Phänomen abgesehen, das nicht mehr als
zehn Sekunden dauerte und als ziemlich normales Fantasiebild
gelten kann, zeigten sich keine weiteren Symptome. An diesem
Zustand änderte sich auch nach der Einnahme von weiteren
100 mg der Chemikalie und weiteren anderthalb Stunden
Weitere Kostenlose Bücher