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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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erringen. In meinem tiefsten
    Innern war ich stets unbefriedigt. Ich möchte wissen, daß ich
    etwas wert bin. Das ist mein größtes Problem; es hemmt mich
    bei meinen Entscheidungen. Auch möchte ich mir darüber
    klarwerden, woran das liegt.«
    Ich schlug ihm eine Behandlung von etwa zwei Monaten Dauer
    mit wöchentlichen Gesprächen vor, zu welchem Zweck er eine
    schriftliche
    Lebensbeschreibung
    liefern
    sollte;
    daran
    würde
    sich eine ganztägige Behandlung mit MDA und zuletzt noch
    Gruppentherapie anschließen. Seine Lebensbeschreibung war
    sehr bedacht abgefaßt. Es wird interessant sein, sie mit seinen
    Äußerungen unter MDA-Wirkung und im Anschluß daran zu
    vergleichen. Ich zitiere Teile aus ihr:
    »Meine Mutter war eine sensible, allgemein interessierte,
    hart arbeitende Frau. Sie liebte ihre Familie zutiefst, was sich
    in dem beständigen Wunsch nach Verbesserung unserer
    Lage zu unser aller Wohlergehen äußerte. Dafür opferte sie
    ihre ganze Kraft. Ich hing sehr an ihr.
    Mein Vater war ein robuster, guter, ehrlicher Mensch. Von
    sich
    selbst überzeugt, konnte er manchmal großzügig,
    manchmal egoistisch sein. Er war in einem spanischen Dorf
    unter strenger Zucht aufgewachsen und daher sehr arbeitsam. Sein Leben war nach einigen einfachen Regeln und bestimmten
    allgemeingültigen
    moralischen
    Grundsätzen
    ausgerichtet.«
    Die früheste Kindheitserinnerung des Patienten:
    »Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem es an nichts
    fehlte. Am deutlichsten erinnere ich mich an das Eßzimmer.
    Es war groß, einigermaßen üppig oder zumindest gutbürgerlich eingerichtet. Uber einem auf Hochglanz polierten Mahagonitisch hing eine elektrische Klingel. Hinter den Glastüren des Wandschranks standen Ziertassen.
    Bei Tisch hatte ich meine Not mit dem französischen Weißbrot; ich glaubte, in seinen Löchern hätten sich Würmer verborgen, und so mochte ich es nicht essen. Ich entsinne
    mich meiner Mutter, am Tisch sitzend, verschiedener Dienstmädchen, einiger Onkel und meines Großvaters väterlicherseits. Für sie alle war ich das liebe Kind, und ich glaube, sie haben mich ziemlich verwöhnt, da ich lange Zeit das einzige
    Kind war.«
    Und weiter heißt es:
    »Ich hatte damals eine Amme; es hieß, meine Mutter habe
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    keine Milch gehabt. Dieser Amme erinnere ich mich aus
    einer späteren Zeit meines Lebens, sie wurde meine Kinderfrau.«
    Uber die Zeit bis zum Schuleintritt berichtet er von finanziellen
    Schwierigkeiten seiner Eltern, von seinem tiefem Kummer, als
    ihm versehentlich eine Halskette seiner Mutter ins Kaminfeuer
    fiel, daß er den Geschlechtsverkehr eines der Dienstmädchen
    mitansah, Überlegungen über die weiblichen Genitalien und
    über Schwangerschaft anstellte und daß er im Alter von sechs
    Jahren einen Bruder bekam. Über diese Zeit sagt er lediglich:
    »Ich war damals ein armer Junge.« Diese Äußerung steht im
    Kontrast zu seinen angenehmen Erinnerungen an das erste
    Schuljahr auf einer amerikanischen Schule und spätere Jahre
    auf einer englischen Schule; in beiden Fällen hielt er sich für bei
    Lehrern und Klassengefährten gleichermaßen beliebt.
    Von den zwanzig Seiten seiner Biographie sind nur fünf seinem
    vorschulischen Lebensabschnitt gewidmet, doch gerade diese
    Zeit war eine höchst wesentliche, wie sich unter MDA-Einwir-
    kung herausstellte. Im übrigen ist in seinem Bericht hauptsächlich von Schule und Leistung die Rede, und nur kurz erwähnt er den Tod seiner Mutter während seines ersten Jahres an der
    Universität und schließlich eine relativ kühle Liebesbeziehung,
    die zur Heirat führte. Verschiedene Vorgänge lassen eine lebenslängliche Scheu vor Frauen und Sex erkennen, der er sich vollauf bewußt war. Er schließt seinen Bericht mit dem Hinweis
    auf seine innere Unsicherheit und geringe Selbsteinschätzung,
    die seiner Meinung nach auf häusliche Einflüsse in frühester
    Kindheit und Schulzeit zurückzuführen sind.
    Anderthalb Stunden nach der Einnahme von 120 mg MDA
    fühlte sich der Patient, von einer außerordentlich kurzen Wahrnehmungsveränderung nach der ersten Stunde abgesehen - der Hügel gegenüber sah plötzlich aus wie ein Löwe-, vollkommen
    normal. Von diesem Phänomen abgesehen, das nicht mehr als
    zehn Sekunden dauerte und als ziemlich normales Fantasiebild
    gelten kann, zeigten sich keine weiteren Symptome. An diesem
    Zustand änderte sich auch nach der Einnahme von weiteren
    100 mg der Chemikalie und weiteren anderthalb Stunden

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