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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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Wartezeit nichts. Ich hielt dies für subjektiven Widerstand gegen die zu erwartende Erfahrung und nicht für eine physiologische
    Drogenresistenz.
    Ich dachte mir, daß der Patient nach außen hin seine übliche
    formelle Haltung zu bewahren verstand, während ein anderer
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    Teil
    seiner
    Persönlichkeit
    die
    »Drogenerfahrung«
    machte,
    ohne daß er dessen innewurde. Unsere verbale Kommunikation schien momentan nicht dazu beizutragen, jenen Erfahrungsprozeß auszulösen, daher nahm ich zu nicht-verbalen Mitteln Zuflucht. Ich bat ihn, sich körperlich ganz zu entspannen und jedem seiner Bewegungsimpulse zu folgen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, und so ging er wieder zur
    Couch zurück, von der er sich ein paar Minuten zuvor erhoben
    hatte.
    Nun meldete er ein leichtes Gefühl der Schwere, das Bedürfnis,
    sich mit seinem vollen Gewicht auszustrecken und tief auszuatmen. Ich wies ihn an, diesem Bedürfnis nachzugeben und besonders lange und gründlich auszuatmen. Nach einer Weile empfand er das Bedürfnis, Rückgrat und Körper zu krümmen,
    seine Beine und Oberschenkel anzuziehen, Arme und Kopf zu
    beugen und sich zusammenzurollen. Ich redete ihm zu, diesem
    Impuls immer weiter zu folgen, bis er etwa drei Minuten später,
    wie ein Fötus zusammengekrümmt in schallendes Gelächter
    ausbrach. Ganz plötzlich waren wir mitten drin in der »Drogenerfahrung«. Lachend begann er nun Englisch zu sprechen; er genoß es, seine Körperlichkeit bewußt zu empfinden. Auch am
    folgenden
    Tag beschrieb
    er sein Erlebnis in englischer
    Sprache:
    »Ich war ganz und gar ich selbst. Komisch, daß ich Englisch
    sprechen mußte. Ich lachte über diesen Mann, den Mann, der
    ich war. In jenem Mann, den ich lachen fühlte, steckte ein
    anderer Kerl. Ich war tief, tief in mir selbst, als ich . . . mein
    wahres Selbst fand.«
    Dieser Text stammt wortwörtlich vom Tonbandgerät, das ich
    während der Behandlung laufen ließ. Sein tiefes Glücksgefühl
    war darauf zurückzuführen, daß er sich selbst spürte, was buchstäblich zu verstehen war.
    »Ich spürte meine Schultern, meine Armmuskeln, meinen
    Bauch, meinen Rücken; und weiter spürte ich - meine Beine,
    meine Füße. Das war ich!«
    »Und ich war ein richtiger Mann, gewissermaßen ein schöner
    Mann, extrem maskulin. Mann, war das ein Körper. . .ein
    Abbild des Mannes, der drinnen steckt.«
    Sein Leben lang hatte er sich als unzulänglich empfunden, in
    jeder Hinsicht an sich gezweifelt, und nun wußte er, daß er sich
    das lediglich eingebildet hatte. Er hatte geglaubt, daß mit seinen Füßen etwas nicht in Ordnung sei. Nun erkannte er, daß all 44

    dies einem Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit für die eigene
    Person zuzuschreiben war. Etwa einen Monat später sagte er
    dazu:
    »Dieses Sich-Selbst-Spüren, Sich-Selbst-Entdecken, in jedem Teil des Körpers, war eine Materialisation meines Selbst, etwas, das mir wohl tat, unter dem ich aber gleichzeitig litt. Es tat mir wohl, weil ich ich selbst war, ich litt, weil ich mich so lange Zeit geringgeschätzt, mich für schlechtgehalten
    hatte, - der unzureichenden Wahrnehmung meiner eigenen
    Person zufolge. Ich tat mir leid.«
    Dieses Körpergefühl dauerte während der Sitzung an, während
    er etwa eine halbe Stunde weiterredete, und bald (ganz gegen
    seine übliche Gepflogenheit) streifte er seine Schuhe ab, öffnete sein Hemd, lockerte seinen Gürtel. Er fuhr fort, seine angenehmen Empfindungen zu kommentieren, er sei so normal, symmetrisch und gut gebaut - eine gelungene Verkörperung seiner selbst in seiner ganzen Individualität und Einmaligkeit. Der Tastsinn wäre der zuverlässigste der Sinne; er ermögliche den unmittelbarsten Kontakt mit der Wirklichkeit in ihrer ganzen Fülle. Eingehend ließ er sich über die Begrenztheit der
    anderen Sinne und des Intellekts aus, über die Unzulänglichkeit
    analytischen Denkens und logischer Konstruktionen, wenn es
    darum ging, die höchste Realität zu erfassen. Wie sei dieser
    reine und simple Erkenntnisvorgang beschaffen? Nur in Gott
    sei er möglich. Was für ein Wunder, welche unendliche Schönheit sei in Gott! Erstes und letztes Wesen, von dem alles ausging und zu dem alles hinströmt. Zwei Stunden redete er
    ununterbrochen so weiter, über die Evolution des Menschen in
    seiner Suche nach Gott - über die alten Griechen, die Römer,
    die Phönizier, über Kapitalismus, über die Entfremdung des
    modernen Menschen und die Notwendigkeit, für alle Probleme
    Lösungen zu

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