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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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anderen Gruppenmitgliedern gegenüber ein intensives Schutz- und Zärtlichkeitsbedürfnis empfand, aber nicht imstande war, dieses Verlangen zu äußern.
    Vergleicht man die erste MDA-Behandlung mit der zweiten,
    zeigt sich, daß der Patient sich bei der zweiten besser erinnern
    und mehr empfinden konnte (Einsamkeit, Frustration und Verlangen), doch lediglich auf Kosten seines Erinnerungsvermögens. Trotz letzteren Umstands meinte ich aufgrund seiner vertieften Erfahrung eine Lockerung der Abwehrhaltung feststellen zu können und ferner, daß diese Sitzung eine Brücke bilden wird zur folgenden, in der seine Erinnerungen und Gefühle endlich seinem Bewußtsein integriert werden konnten.
    Schon zwei Tage nach der Gruppensitzung wurde diese Vermutung durch die Reaktionen des Patienten auf den HPT erhärtet.
    Wiederum war die Veränderung auffallend. Nicht nur schämte
    er sich seiner Schwäche, es tauchte ein neues Thema auf: Der
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    Gesichtsausdruck einiger der fotografierten Personen erschien
    ihm nunmehr kritisch, höhnisch und distanziert; zumindest bei
    einem der Fotos sah er darin eine Ähnlichkeit mit seinem
    Vater.
    Die nächste Gruppensitzung fand einen Monat nach der zweiten statt und begann erhitzt und mit viel Schreien. Er schien mir das Gleiche noch einmal zu durchleben, doch war es eine andere Situation, die diese Gefühle in ihm wachrief. Diese begann sich nach und nach zu enthüllen, während er seiner Wut freien
    Lauf ließ: »Dein Sohn ist ein Dieb. Dein Sohn ist ein Dieb. Dein
    Sohn ist ein Dieb«, schrie er - und darauf folgten Zorn, Abwehr
    und Haß: »Nein! Nein! Es gehört mir, ich habe es auf dem
    Fußboden gefunden! Es ist meins, meins, meins! Ich habe es
    nicht gestohlen! Ich habe überhaupt nichts gestohlen! Ich habe
    es gefunden. Verbrecher! Verbrecher!«
    Nach dreieinhalb Stunden begann ihm das Vergangene ins
    Bewußtsein zu treten: Während des ersten oder zweiten Schuljahrs fand er einmal einen kleinen Edelstein (vermutlich einen Brillanten), den er behielt, ohne etwas von seinem Wert zu
    ahnen. Man beschuldigte ihn des Diebstahls, und in seiner
    Angst verschluckte er den Stein. Deutlich entsann er sich, wie
    man ihm mit Gewalt ein Brechmittel einflößte, weil man den
    Stein wiederhaben wollte. Jetzt in der Sitzung litt er unter der
    Vorstellung, er habe immer noch etwas im Magen. Undeutlich
    konnte er zwei Päckchen fühlen, ein kleineres hinter dem
    Brustbein, ein größeres etwas darunter. Er öffnete das kleinere
    und fand den Brillanten darin. »Das andere, das ich kaum
    erkennen konnte und vergessen habe, blieb ungeöffnet«, stellte
    er später fest und fügte hinzu: »Nachdem ich das alles entdeckt
    habe, fühle ich mich von etwas sehr Großem und Schwerem
    befreit, als ob ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder
    aufatmen könnte. Doch dieses Bedürfnis, tief Atem zu holen,
    bezog sich auf etwas, das mir unfaßlich blieb.« Während des
    übrigen Tages trat er mit den anderen in Interaktion anstatt sich
    wie beim vergangenen Mal in sich zurückzuziehen. Nachdem
    die Drogenwirkung verflogen war, verabschiedete er sich von
    den anderen Gruppenmitgliedern und brach dabei fast in Tränen aus. Vor allem mir gegenüber war er so gerührt, daß er mich wie ein Sohn auf die Wange küßte. Dies stand in dramatischem
    Gegensatz zu der Empfindungslosigkeit, derentwegen er sich
    einst in Behandlung begeben hatte.
    Wieder einen Tag später überwältigte ihn das Gefühl, daß er in
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    Wirklichkeit weder Vater noch Mutter gehabt habe, und dies
    wiederum machte ihn glauben, er habe sie umgebracht. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, als seien nun alle Stücke eines riesigen Puzzles an ihrem richtigen Platz: Träume, Ängste und Lebenssituationen. Nach einer weiteren Woche indes hatte es
    den Anschein, als sei ein Vorhang vor seinem inneren Blick
    niedergegangen. Seine Gefühle wurden matter, die im Verlauf
    der Sitzung ins Gedächtnis gerufenen Erlebnisse erschienen
    ihm weniger und weniger real.
    Ich schlug dem Patienten, aus den gleichen Gründen wie zuvor,
    ein weiteres Gespräch vor, das insofern besondere Bedeutung
    erhielt, als dem Patienten davon am wenigsten in Erinnerung
    blieb und das dennoch das wirksamste war. Während der ersten
    Stunden hielt der Patient sich für eine Frau und genoß diese
    Rolle; langsam wurde ihm klar, daß er sich schon in früher
    Jugend mit einer Frau identifiziert hatte, weil er glaubte, seinen
    Vater auf diese Weise für sich zu gewinnen. Eine

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