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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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ihn darauf aufmerksam
    machte, tat er es absichtlich und lange Zeit. Alles in allem hatte
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    er das Gefühl, sein Kiefer sei unbeweglich, er schmerzte ihn,
    und er tastete weiter an ihm herum. Auch taten ihm nun seine
    unteren linken Backenzähne weh, sogar noch den ganzen folgenden Tag. Einige Zeit fühlte er sich getrieben, den Mund weit zu öffnen und seine Zunge heraushängen zu lassen und bei weit
    geöffnetem Mund kräftig auszuatmen. Dann begann er zu frieren, sich wieder im Rhythmus der Musik zu bewegen, öffnete erneut den Mund und ließ seine Zunge heraushängen oder
    machte Saugbewegungen. Er erzählte mir (auf Englisch), daß
    er schon immer solche Vorstellungen gehabt habe, zum Beispiel hätte er in seiner Pubertätszeit nicht hart zubeißen wollen aus Furcht, die ovale Form seines Kinns könnte dadurch entstellt werden.
    Irgendwann in der zweiten Stunde, nach Auftreten der Anfangssymptome sagte er, heute wisse er, daß er niemals geliebt worden sei, und wenn vielleicht doch, er es niemals geglaubt
    habe oder sich dessen gewiß gewesen sei. Danach sprach er auf
    Englisch weiter und blieb bis zum Ende der Sitzung dabei,
    obwohl er es weit weniger fließend sprach als Spanisch. Einmal
    äußerte er sich auch auf Französisch, und verschiedene Male
    während der Sitzung bemerkte er überrascht, er habe sein
    Spanisch vergessen, was ihn aber nicht zu beunruhigen schien.
    Dann kamen wieder ein paar Sätze auf Spanisch, nachdem er
    seinen Vater in Gestalt einer Sitzlehne mit einem Metallrahmen vor sich gesehen hatte. Ich forderte ihn auf. mit seinem Vater zu sprechen und schließlich sagte er zögernd auf Spanisch: »Warum gehst du immer fort?« »Warum bleibst du nicht daheim?« »Warum nimmst du mich nicht in deine Arme?«
    Da der Patient im ersten Schuljahr zu stottern begonnen hatte,
    befragte ich ihn nun über diese Periode seines Lebens: Er
    erinnerte sich dann, daß einmal eine Schar von Mitschülern
    über ihn herfiel und ihn zu Unrecht beschuldigte, er habe einen
    kleinen Jungen gestoßen. Einer der größeren Jungen hielt ihm
    die Faust unter die Nase, doch vermochte er sich nicht mehr zu
    erinnern, ob er tatsächlich zugeschlagen hatte. Ungefähr eine
    Stunde grübelte er über diese Szene nach. Er fühlte seinen
    Mund voller Blut; er glaubte, daß er genau an diesem Tag zu
    stottern begonnen habe, als er sich nämlich als Gegenstand
    großer Ungerechtigkeit und als wehrloses Opfer empfand.
    Von diesem Tag an, im Lauf des folgenden Monats, fiel dem
    Patienten auf, daß die Behandlung sich auf seine Bewegungen
    auszuwirken begann, die nun geschmeidig und weit koordinier68

    ter waren. Er spürte es beim Guitarrespielen, beim Tischlern in
    seiner Freizeit und des Nachts; er empfand nicht mehr das
    übliche Unbehagen, weil er nicht wußte, wo er vorm Einschlafen seine Arme hinlegen sollte. Von dieser psychischen Wirkung abgesehen, war er seinen Kindern gegenüber sehr herzlich und brachte Geduld auf für die Vorgänge des Familienlebens.
    Als ich ihn zwei Tage nach der Sitzung erneut einem HPT
    unterzog, reagierte er vollkommen anders, als in der Woche
    zuvor. Die Hauptbegründung seiner Ablehnung eines Fotos
    lautete nun nicht mehr »kriminell«, jedoch bezog sich die
    Hälfte seiner Bemerkungen auf den Ausdruck um Mund und
    Kinn der abgebildeten Gesichter. Meistens drückten sie Furcht
    oder Trauer aus, oder sie zeigten zu stark die Zähne oder
    verrieten Unaufrichtigkeit. Diese Fixierung auf die Mundpartie
    und ihren Ausdruck bildete eine Parallele zu den Drogenerfahrungen des anderen Patienten unter MDA: Auch hier hatte die Mundpartie sowohl physisch wie in der Phantasie im Mittelpunkt gestanden.
    Trotz des Wohlgefühls, das der Patient empfand, muß der hier
    beschriebene therapeutische Prozeß aus folgenden Gründen als
    nicht abgeschlossen betrachtet werden:
    1. Gefühlsäußerung nicht ausreichend: Zu Anfang der Sitzung
    war dem Patienten zum Weinen zumute, doch gab er diesem
    Drang nicht nach. Am Abend des Tages ängstigte er sich,
    weil er sich für suizidgefährdet hielt, bewegte sich jedoch nur
    am Rande der Schwermut. Die kurzen Drogenerfahrungen,
    seine Lebensgeschichte (das Weinen im Schrank), das Fehlen intensiver Empfindungen während der ganzen Behandlung und die Ablehnung eines bestimmten Gesichtsausdrucks im Test beweisen, daß er noch immer nicht bereit ist, seine eigenen Gefühle zu akzeptieren oder sich wenigstens
    mit ihnen auseinanderzusetzen.
    2.
    Erinnerungsvermögen nicht

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