Die Reise zum Ich
sprechen.
Denn anstelle der unter Meskalin- oder LSD-Wirkung erlebten
»Ichlosigkeit« des verklärten Einsseins mit der Welt, wird hier
besonders die Individualität und Einmaligkeit eines jeden Lebens empfunden. So kamen in der Tat manche Personen zum einen oder anderen Zeitpunkt ihrer Behandlung zu der gleichen Erkenntnis, der sie mit Worten identischen Ausdruck gaben: »Ich bin! Ich bin! Ich bin!«
Diese Eigentümlichkeit der »guten« MDA-Erfahrung wird in
der ersten Krankengeschichte dieses Kapitels sehr deutlich.
Sehen wir uns noch einmal die Worte an, mit denen der Patient
sein Erleben bei Einsetzen der Drogenwirkung freudig beschrieb: »Ich war ganz und gar ich selbst. . . Ich lachte über diesen Mann, den Mann, der ich war. . .Und weiter spürte ich
- das war ich!« Und die Worte, die er einige Stunden später in
riesigen Buchstaben auf das Papier schrieb, lauteten: »ICH
BIN ICH«.
Eine Besonderheit dieser Erfahrung besteht darin, daß sie die
unmittelbare sinnliche Wahrnehmung der Realität nachsich-
zieht. Im Gegensatz zur LSD-Wirkung, bei der die betreffende
Person meist Götter oder Dämonen sieht, das heißt, bei der sich
nicht-personale Kräfte in personaler Existenz manifestieren,
wird sich bei MDA das Bewußtsein in der einzigartigen Qualität der Erlebnisse des Tastsinns und der akustischen Sinneswahrnehmungen und anderer körpereigener Reize zentrieren.
In keinem Fall wurden Dämonen gesehen oder Verkörperungen abstrakter Prinzipien, vielmehr die jeweilige eigene Wirklichkeit der jeweiligen Person erlebt. Entsprechende Äußerungen gibt es auf den Tonbandaufzeichnungen der Sitzungen in 75
Hülle und Fülle, und oft liefern sie einen Schlüssel zur Lösung
unbewältigter Erlebnisse der Vergangenheit. So bemerkte zum
Beispiel ein Patient, daß seine Stimme ängstlich und unterwürfig klang, als ob er mit seinem Vater spräche; dies führte zum einen zur Klärung seines früheren Verhältnisses zu seinem
Vater, zum anderen zur schließlichen Aufgabe seiner anachronistischen Haltung. Vermutlich hatte er stets so gesprochen, ohne sich darüber klar zu sein. Nun aber, da er sich selbst zu
fühlen vermochte, wurde er sich nicht nur seiner Sprechweise,
sondern auch seiner früheren und gegenwärtigen Haltung wie
auch bestimmter Episoden aus seiner Vergangenheit bewußt,
die der Grund für diese Haltungen waren. So könnte man
sagen, die momentane Wahrnehmung seiner selbst wie auch
seine Erinnerung an sein früheres Selbst sind gleicherweise im
Personalen beheimatet
und durch leicht heraufzubeschwörende Assoziationsreihen miteinander verknüpft. Wurde die
eine Assoziation verdrängt, so auch die andere, und insofern
ging die Bewußtmachung des früher Verdrängten und des gegenwärtig Verdrängten in der Praxis Hand in Hand.
So wie das Kind die Tatsache seiner Individualität vermutlich in
dem Augenblick realisiert, wenn es in der Lage ist, seine Körperbewegungen zu beherrschen und einen eigenen Willen zu bekunden, drückt sich analog beim Erwachsenen die Wiederentdeckung des Ich-Gefühls unter Droge häufig in motorischen Körperbewegungen aus, die uns etwas über seine Individualität
verraten können. Zumindest in zwei Fällen hatten diese Bewegungen etwas von der spielerischen Ziellosigkeit eines Säuglings. In einem anderen Fall begann sich der Patient zu winden und zu wälzen (Bewegungen, die er nach Abklingen der Drogenwirkung als Bewegungen des Babys im Kinderbett deutete).
~Bald darauf begann er Saugbewegungen mit dem Mund zu
machen und setzte das etwa drei Stunden fort, während sich
allmählich noch andere Manifestationen zeigten, zum Beispiel
sagte er wiederholt die Silbe »ma«, »ma« über Stunden, schlug
im Rhythmus mit den Fäusten aufs Bett und rief schließlich
»ich«, »ich«, »ich« im Takt dazu. Bis zum Ende der Sitzung
hatte sich nach und nach das ganze Panorama seiner familialen
Beziehungen entfaltet.
Genau entgegengesetzt war die Abfolge bei einem anderen
Patienten. Beim ihm bestand die erste nennenswerte Erfahrung
nach Einnahme von MDA bereits im Erleben der Ichheit;
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»ICH bewegte meinen Arm, es wurde mir schlagartig bewußt,
daß ICH ihn bewegte. Da war Ich. Wie wunderbar, ich selbst zu
sein! Ich spürte jeden Muskel, jeden Teil meines Seins, und das
alles war ICH«.
Kurz darauf legte ich ihm eine Fotografie von sich und seinem
Vater vor. Der Vater hatte den Arm um die Schulter seines
Sohnes getan - eine Bewegung,
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