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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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eigenen
    besonderen
    Lebensumständen.
    Die
    unmittelbare
    Erfahrung
    der Wirklichkeit scheint in diesen durch MMDA ausgelösten
    Zuständen ohne Schmerz oder andere Nebenempfindungen
    erlebt zu werden; das Glücksgefühl scheint nicht von der jeweiligen Situation abzuhängen, sondern vom Sein an sich, und in diesem Geisteszustand erscheint alles gleichermaßen liebenswert.
    Mag auch MMDA eine synthetische Mischung sein, erinnert es
    doch an das Nepenthe (»nicht-Leiden«) homers, den Trank,
    den helena dem telemachus und seinen Gefährten reicht,
    damit sie ihre Leiden vergessen.
    »Aber ein Neues ersann die liebliche Tochter Kronions.
    Siehe, sie warf in den Wein, wovon sie tranken, ein Mittel
    Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedächtnis.
    Kostet einer des Weins, mit dieser Würze gemischet, Dann
    benetzet den Tag ihm keine Träne die Wangen, Wär’ ihm
    auch sein Vater und seine Mutter gestorben, Würde vor ihm
    sein Bruder und sein geliebtester Sohn auch Mit dem
    Schwerte getötet,
    Daß seine Augen es sähen.
    Siehe, so heilsam war die künstlich bereitete Würze, Welche
    Helenen einst die Gemahlin Thons, Polydamna, In Aigyptos
    geschenkt. Dort bringt die fruchtbare Erde Mancherlei Säfte
    hervor, zu guter und schädlicher Mischung; Dort ist jeder ein
    Arzt und übertrifft an Erfahrung Alle Menschen; denn wahrlich, sie sind vom Geschlechte Paieons.«1
    Welche
    therapeutischen
    Begleiterscheinungen
    oder
    Zusammenhänge sich aus dieser vorübergehenden Erhellung ergeben
    können, läßt sich am Fall eines achtundzwanzig Jahre alten
    Patienten verdeutlichen, der mir nach sechsjähriger, nur mäßig
    erfolgreicher Behandlung durch einen anderen Psychiater von
    ihm überwiesen worden war.
    Der Anlaß des Patienten, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, bestand nach wie vor in chronischen Angst- und Unsicherheitsgefühlen anderen Menschen, insbesondere Frauen gegen
    über, die von häufigen Depressionen begleitet waren. Nach
    einem ersten Gespräch ersuchte ich den Patienten, mir eine
    schriftliche Schilderung seines Lebens zu geben, was ich im
    Hinblick auf den Wert solchen Tuns wie auch auf eine Verkür-
    1 homer Odyssee, 4 . Gesang. Vers 2 1 9 -2 3 2 , Übers, joh. h. voss.
    91

    zung der Behandlungszeit häufig zu verlangen pflege. Als er
    fortging, sagte ich: »Wenn sich nichts Neues ergibt, kommen
    Sie erst wieder zu mir, wenn Sie mit Ihrem Lebenslauf fertig
    sind. Doch wenn Sie sich wirklich ins Zeug legen, werden Sie
    mich vielleicht nachher nicht mehr brauchen«.
    Erst vier Monate später meldete er sich wieder und legte mir
    einen sehr ausführlichen Lebensbericht vor. Mir war sofort
    wieder gegenwärtig, was ich ihm seinerzeit gesagt hatte, denn
    tatsächlich war das Niederschreiben für ihn ein Erlebnis ersten
    Ranges gewesen und schien ihm nun einen Neubeginn zu verheißen. Beim Lesen begriff ich, in welchem Sinn, denn nur selten hatte ich es mit einem so schwer unter den Erlebnissen
    seiner Vergangenheit leidenden Patienten zu tun gehabt und
    auch nur selten mit einem Bekenntnis von so heroischer Offenheit.
    Einen großen Raum nahm in dieser Lebensbeichte von Kindheit an das Sexualleben ein, und sie endete mit der Darstellung jener Aspekte seines jetzigen Lebens, die mit seiner inneren
    Unsicherheit in Zusammenhang standen. Zum einen fühlte er
    sich bedrückt, weil die Praxis des analen Geschlechtsverkehrs
    solche Anziehungskraft für ihn hatte und machte sich Sorge,
    Frauen könnten darin eine Neigung zur Homosexualität sehen. Andererseits liebte er es, während des Onanierens auch seinen Anus zu stimulieren und schämte sich dieser Abweichung.
    Befragt, wie weit er sich selbst für homosexuell halte, antwortete er, er halte sich keineswegs für homosexuell, leide aber unter der »irrationalen« Furcht, andere könnten ihn dahingehend klassifizieren. Ob seine Analerotik auf eine latente homosexuelle Tendenz schließen lasse, könne er nicht beurteilen.
    Schon allein der Gedanke erfüllte ihn mit Schrecken.
    Während wir auf die Wirkung des MMDA warteten, äußerte
    der Patient die Besorgnis, sich lächerlich zu machen; doch zu
    seiner Überraschung trat nach und nach der für die angenehmeren Erfahrungen mit dieser Droge typische Zustand heiterer Gelassenheit ein.
    »Als ob ich nichts brauche, als ob ich mich nicht bewegen
    wollte; als ob ich im tiefsten und absoluten Sinn befriedet sei,
    als sei ich dicht an einem Ozean, doch noch jenseits davon;
    als hätten Leben und Tod nichts zu

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