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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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Ist jedoch der Deckel einmal gelüftet, stellt sich paradoxerweise heraus, daß nichts darunter verborgen war. Oder, anders ausgedrückt, das, was verdeckt war, ist Nichts. Denn über den Akt des Verdeckens besteht kein Zweifel, mag das Behältnis auch
    noch so leer sein. Dies Paradox ist meiner Meinung nach der
    eine Schlüssel zum Verständnis des ganzen therapeutischen
    Ablaufs: man muß es wagen, nach dem Skelett im Wandschrank zu sehen, um festzustellen, daß es nicht da ist.
    Die Bereitschaft, sich in psychotherapeutische Behandlung zu
    begeben, ist an sich schon ein Zeichen der Bereitschaft, den
    Deckel der Büchse der Pandora zu lüften, gleich, was darunter
    hervorkommt. In noch stärkerem Maß bedeutet es die Entscheidung, sich der Drogenerfahrung auszusetzen und die Schleier des alltäglichen Bewußtseinszustands zu heben. Doch
    meiner Meinung nach bringen nur wenige es fertig, diesen
    letzten Schritt zu tun, nur wenige, die es »wirklich wissen wollen«. Schon die Konfrontation mit dem Symbol oder die symbolische Verarbeitung eines Problems, stellt eine große Herausforderung dar und ist fraglos ein heilsames Unternehmen.
    Doch jenseits dieses Kampfes mit dem Drachen erwartet uns
    die Entdeckung, daß der Drachen eine Täuschung war. Nebenbei gesagt, dies zu erkennen heißt ihn wirklich zu töten.
    Unser Patient war nun so weit, daß er auch das Schlimmste an
    sich wahrzunehmen vermochte, nachdem er den Makel, ein
    Gewalttäter zu sein, akzeptiert hatte. Was sah er tatsächlich?
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    Ein gewisses Maß an Destruktivität bei der Verfolgung bestimmter Freuden. Das Urteil über sich selbst fiel streng aus, doch nicht ganz ohne versöhnlichen Ton: »Hier bin ich, ich
    trage selbst die Verantwortung. Ich nehme sie auf mich«. Entscheidend ist: Er war jetzt imstande , sie auf sich zu nehmen.
    Daß er gefehlt hatte, war nicht mehr untragbar. Vielmehr fand
    er es leichter, seine Fehler einzusehen, als sich stellvertretend
    mit etwas konfrontiert zu sehen, was er insgeheim mehr fürchtete: Die Vergehen aus einer früheren Inkarnation, die Vulga-rität seines Großvaters, seinen eigenen Gewaltakt. Je weiter er
    von seiner gewohnten Haltung abrückte, diese Sache von sich
    zu weisen, je näher kam sie auf ihn zu, doch schien sie damit an
    Wichtigkeit zu verlieren. Zwar blieb das Vergehen nach wie vor
    das gleiche, doch fiel es ihm nun viel leichter, seine Fehlhandlung wahrzunehmen. Mehr noch, es gab ihm Auftrieb und seinem Leben ein Ziel. »Ich tat unrecht und muß es nun wieder
    gutmachen. Ich nehme die Verantwortung voll auf mich.«
    Also besteht die erfolgreiche MDA-Sitzung häufig in einem
    Prozeß der Wahrheitsfindung anhand der Symptome des Irrens. Denn meistens ist Irrtum ein Schatten der Wahrheit, ein Schatten, der auf seine Quelle verweist. Und haben wir seine
    Quelle einmal entdeckt, stellen wir fest, daß dieser Schatten mit
    dem langen Schatten des Abendlichts etwas gemeinsam hat: er
    ist viel größer als der Gegenstand, der ihn verursacht.
    Wenn das Vorangegangene nicht nur in bezug auf die MDA-
    Behandlung, sondern auf die Psychotherapie ganz allgemein
    zutrifft, oder sogar auf das Leben als solches, so in besonderem
    Maß auf den Vergleich von MDA mit anderen Drogen, von
    denen in diesem Buch die Rede ist. Die MDA-Erfahrungen
    zielen auf den Bereich der Lebensgeschehnisse ab, und die
    diesbezügliche Wahrheit ist eine faktische. Die Domäne des
    MDDA hingegen ist, wie wir sehen werden, eher im Bereich
    gegenwärtiger Empfindungen und weniger der Vergangenheit
    zu finden, und wenn wir hier von Gefühlen sprechen, geht es
    uns weniger um ihre faktische Wahrheit, als um ihre Tiefe und
    Echtheit. Der Bereich des Harmalin dagegen ist die Welt der
    visuellen Symbole archetypischen Inhalts, und auch hier, wo
    vom Mythischen die Rede ist, denken wir nicht in Kategorien
    der Wahrheit, vielmehr in denen der Schönheit und Offenbarungsqualität. Ibogain wiederum vermittelt nach Aussagen vieler Personen, die der Behandlung mit einer breiteren Skala von Psychopharmaka unterzogen wurden, die unmittelbare Erfah85

    rung der Wirklichkeit. Indes ist der erreichte intensive Kontakt
    von einer Qualität, die sich noch nicht beschreiben läßt und
    weniger zur Klärung der Vorgänge beiträgt.
    Von den verschiedenen psychotropen Agenzien stünde es
    MDA am ehesten zu, die »Droge der Wahrheit« genannt zu
    werden. Charakteristisch scheint hier ein aktives Mitwirken bei
    der Wahrheitsfindung zu sein, nicht nur in der

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