Die Reise zum Ich
treten. Ich meine, daß
sich sowohl imaginäre wie psychosomatische Symptome ohne
Auslösung einer Gefühlssteigerung deutlicher abzeichnen, und
so neige ich dazu, in diesem Syndrom eine Substitution, das
heißt, eine Verlagerung der Gefühle zu sehen. Schließlich
kommt es auch vor, daß Personen auf MMDA wenig oder
überhaupt nicht produktiv reagieren und weder Gefühlssteigerungen noch deren Äquivalente erleben - ein Zustand, den man durchaus als die MMDA-Vorhölle bezeichnen könnte. In
diesen Fällen erzeugt die MMDA-Wirkung eine noch größere
Apathie beziehungsweise einen noch tieferen Schlaf, was ich so
verstanden sehen möchte, daß die Verdrängung der Gefühle
nicht einmal deren symbolische Äußerung zuläßt - ein Zustand, der für die Dauer nur auf Kosten des Bewußtseins aufrechterhalten werden könnte.
Ganz allgemein, und als Fingerzeig für ein entsprechendes Vorgehen in der jeweiligen therapeutischen Situation, möchte ich den MMDA-Wirkungen fünf mögliche Zustände beziehungsweise Syndrome zuordnen: einen subjektiv in höchstem Grade angenehmen, der als besondere Form der visionären Erfahrung
betrachtet werden kann; einen weiteren, bei dem die normalen
Gefühle und Konflikte wie durch ein Vergrößerungsglas gesehen werden; dann einen dritten und vierten, die sich nicht in Gefühlssteigerung, sondern in der Hauptsache in physischen
Symptomen oder visuellen Bilderlebnissen äußern - die zwar
bei allen Zuständen auftreten, im dritten und vierten aber (als
Gefühlssubstitute) die größte Rolle spielen, während im ersten
und zweiten die Gefühle den wichtigsten Platz einnehmen -;
schließlich einen Zustand der Indifferenz (vermutlich defensiver Natur), der bereits im dritten und vierten zu beobachten ist und im fünften seinen Höhepunkt erreicht. In diesem fünften
Zustand kann es, wie im normalen Traumleben, zu erheblicher
geistig-seelischer Aktivität kommen, doch bleibt davon nur
wenig im Gedächtnis haften; auch läßt er sich kaum beschreiben. Diese Zustände können sich im Verlauf der Erfahrung der 89
Reihe nach ablösen: Die MMDA-Reaktion kann sich zuerst in
Angst- und Konfliktzuständen äußern und nach und nach einem ausgeglicheneren Zustand oder einem halbschlafähnlichen weichen. Oder umgekehrt beginnt eine Sitzung mit einem wunderbaren Zustand des Gleichmuts, der dann einem des
ausgesprochenen
körperlichen
und
emotionalen
Unbehagens
Platz macht und so fort.
Über die Assimilation der visionären Erfahrung
Andernorts haben wir festgestellt, daß die durch MDA-Wir-
kung ermöglichte visionäre Erfahrung das Selbst in seiner Individualität bestärkt, im Gegensatz zur LSD-Wirkung, für die gerade das Erlebnis der Aufhebung des Sonderseins und des
Einswerdens mit allem Seienden typisch ist. Das von MMDA
ausgelöste visionäre Erleben begreift nun beides in sich, ein
verstärktes Erleben des Sonderseins wie auch seiner Aufhebung, die sich freilich zum Erleben eines neuartigen totalen Seins verbinden. Die Aufhebung der Individualität äußert sich
hier in einer erhöhten Erlebnisbereitschaft, in der Willigkeit,
nicht an irgendwelchen Präferenzen festzuhalten, während sich
das Fortbestehen der Individualität im Nichtauftreten des Phänomens der Depersonalisation zu erkennen gibt, zum Beispiel darin, daß sich die betreffende Person mit der Alltagswelt der
Menschen, Gegenstände und Beziehungen auseinandersetzt.
Die visionäre Erfahrung unter MMDA zeichnet sich durch die
beseligende Intensität aus, mit der dieser Augenblick in seiner
ganzen Realität erlebt wird. Dennoch ist sie weniger euphorischer Natur, sondern entspricht mehr einem Gefühl der Ruhe und Klarheit. Man könnte versucht sein, den Zustand als seligen Gleichmut zu beschreiben, oder, wie eine Patientin es ausdrückte, als »eine Art nicht-persönliches Mitgefühl«; denn
die Liebesempfindung ist eingebettet in Gleichmut.
Obwohl dieser Zustand von den meisten Menschen nur selten
erreicht wird, liegt er doch für den Durchschnittsmenschen
noch entschieden im Rahmen des Möglichen. Die Wahrnehmung der Dinge und Menschen ist gewöhnlich weder verändert noch gesteigert, doch werden die negativen Reaktionen, die
sich auf unser Alltagsleben von außerhalb unseres Bewußtseins
auswirken, vorübergehend ausgeschaltet, und restlose Hinnahme tritt an ihre Stelle. Hier ergibt sich eine Parallele zu 90
nietzsches amor fati, der Liebe zum Schicksal, zu den
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