Die Reise zum Ich
hoch, daß er beschließt, Psychologie zu studieren.
Die Deutung der auf den vorhergehenden Seiten dargestellten
Beispiele mögen sich im ganzen gesehen nicht sehr von den
Berichten üblicher psychotherapeutischer Sitzungen ohne Drogenanwendung unterscheiden. In der Mehrzahl bestehen die MMDA-Reaktionen in einer Intensivierung der Gefühle, Symptome und visuellen Fantasie, und weniger in deren qualitativer Veränderung. Der Wert solcher Intensivierung für den psychotherapeutischen Prozeß dürfte in erster Linie darin zu sehen 129
sein, daß bestimmte Hinweise der Aufmerksamkeit des Therapeuten oder den Patienten weniger leicht entgehen, wohingegen es bei der üblichen Methode viel Zeit und Mühe kostet, den Schleier des Geredes und der Automatismen, die der gewohnten sozialen Rolle entsprechen, zu durchdringen. Das MMDA ermöglicht schnelleren Zugang zur verborgenen Erfahrung des
Individuums, beziehungsweise der aus ihrer Ablehnung resultierenden Leugnung oder Verzerrung.
Ein anderer Aspekt der MMDA-Wirkung besteht darin, daß
diese die engere therapeutische Wechselwirkung fördert, wenn
nicht gar deren qualitative Veränderung, das heißt: Das Denken erhält ohne Verlust an Reflektionsfähigkeit einen expe-rientielleren (experientiell) Charakter, den es gewöhnlich nicht
aufweist. Statt rein begrifflich und verbal zu operieren, scheint
sich das durch MMDA ausgelöste Denken visueller, sensorischer und emotioneller Erfahrungen zu bedienen, so daß die abstrakte Erkenntnis den Patienten sogleich zu ihrer praktischen Anwendung führt; seine Einsicht resultiert aus der vollkommenen Verbindung von Gefühl und Intellekt und weniger aus begrifflichem Denken.
Gerade in diesen experientiellen, in Bildern ablaufenden
Denkprozessen
besteht der psychotherapeutische Wert der
visuellen Erfahrung. Obwohl manche Menschen eine natürliche
Begabung für das Herbeiführen visueller Wahrnehmungen besitzen und andere sie durch Training zu erwerben verstehen, gehört doch die Erleichterung dieses Geschehens durch die Anwendung
von MMDA zu den Pluspunkten, die bei einem Überblick über
seine nützlichen Eigenschaften für die ergänzende Therapie
besonders hervorgehoben zu werden verdienen.
Nicht zuletzt muß auch auf die besondere Eignung des MMDA
für die Herbeiführung visionärer Erfahrung auf erhabenster
Ebene hingewiesen werden, die sowohl spontan als auch als
Ergebnis therapeutischer Arbeit auftreten kann und Sekunden
oder auch Stunden andauert. In diesen Augenblicken der Verklärung und reinen Liebe vermag der Mensch seine Realität aus einer anderen Sicht zu erblicken, und er sieht ein, daß er auf
seine gewohnten Einstellungen verzichten muß. Visionäre Erfahrung höchster Qualität kann sich auch auf die Arzt-Patient-Beziehung auswirken - als weiterer Schritt hin zu der Fähigkeit,
das Hier und Jetzt, die Befreiung von der früheren Knechtschaft durch Konditionierungen und stereotype Mechanismen als Geschenk zu erleben.
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4. Kapitel
Harmalin und das kollektive Unbewußte
Harmalin ist - als ihr wichtigstes Alkaloid - in den Samen der
wildwachsenden Steppenraute, des in Zentralasien und Syrien
beheimateten Peganum harmala enthalten, die man auch heute
an den Mittelmeerküsten Afrikas, Europas und des Nahen
Ostens, in Persien, Afghanistan und Nordosttibet antrifft. Dieser Samen wird seit Jahrhunderten zu medizinischen Zwecken verwandt und ist auch in der spanischen und italienischen Pharmakopoe unter der Bezeichnung semen Harmalae sive rutae sylvestris angeführt. Von Persien bis Indien wurde er rege gehandelt und steht auch heute noch in diesen Gegenden als Emmenagogum und Lactagogum sowie als Brechmittel und
Wurmmittel und auch als Antisepticum, nicht zuletzt aber wegen seiner psychoaktiven Wirkstoffe hoch im Kurs.
Harmalin ist aber auch in einer in den Regenwäldern Südamerikas gedeihenden Liane der Gattung Banisteriopsis enthalten, die das Hauptingrediens eines von südamerikanischen Indianern bereiteten Tranks bildet und je nach dem bei den verschiedenen Stämmen des Amazonas- und Orinocogebietes als Yagé, Ayahuasca oder Caapi bezeichnet wird; es spielt bei den Initiationsriten der Schamanen, bei den Pupertätsriten sowie als Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten eine große Rolle.
Durchweg wird es jedoch für die Herbeiführung von Trancezuständen oder zur Präkognition verwandt; daher, wegen des psychoaktiven Wirkstoffs, seine frühere Bezeichnung Telepathin.
Obgleich ich
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