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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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mich in diesem Kapitel nur vom therapeutischen
    Standpunkt aus mit den Wirkungen des Harmalin befassen will,
    möchte ich doch nicht unerwähnt lassen, daß dieses Alkaloid
    insofern unser besonderes Interesse verdient, als es mit bestimmten, aus der Zirbeldrüse von Säugetieren gewonnenen Substanzen große Ähnlichkeit hat. Vor allem das 10-methoxy-harmalin, das in vitro durch Bebrüten aus dem im Gewebe der
    Zirbeldrüse enthaltenen Seratonin isoliert werden kann, ähnelt
    dem Harmalin in seiner subjektiven Wirkung und erzeugt noch
    stärkere psychoaktive Wirkungen. Dies läßt darauf schließen,
    131

    daß das Harmalin (welches sich von 10-methoxy-harmalin nur
    durch
    die
    Position
    seiner
    methoxyl-Gruppe
    unterscheidet)
    seine psychoaktive Wirkung dem Mimikry eines Stoffwechselprodukts verdankt, das normalerweise an der Kontrolle der Bewußtseinszustände beteiligt ist.
    Bei einer oralen Dosis Harmalin von 4 bis 5 mg pro Kilogramm
    Körpergewicht (oder einer intravenösen Dosis von 70 bis 100
    mg) tritt ein Zustand körperlicher Entspannung ein. Der Patient hat das Verlangen, sich von der Umwelt zurückzuziehen, die Augen zu schließen und entwickelt eine besondere Empfindlichkeit gegen laute Geräusche. In den Gliedern macht sich eine gewisse Taubheit bemerkbar und vor allem treten sehr
    lebhafte visuelle Wahrnehmungen auf, die in Form bedeutungsschwerer
    traumartiger
    Sequenzen
    verlaufen.
    Darüber
    hinaus ruft es bei etwa 50 Prozent der Analysanden Übelkeit
    oder Erbrechen hervor. Aufgrund all dieser Symptome liegt es
    nahe, daß ein stiller, abgedunkelter Raum mit einer Couch die
    ideale Umgebung für die Anwendung dieser Droge ist.
    Eine im Jahr 1964 durchgeführte Untersuchung der subjektiven Wirkungen von Harmalin an Freiwilligen, die nichts von der Wirkung der Droge wußten, führte zu dem überraschenden
    Ergebnis, daß sich der Inhalt ihrer Visionen weitgehend glich,
    darüber hinaus aber auch mit denen der Indianer deckte. Am
    häufigsten traten in diesen dreißig Sitzungen Tiere in den Träumen auf, Tiger, Vögel oder sogar dunkelhäutige fliegende Menschen oder der Tod, oder die Probanden sahen kreisförmige Muster, die Assoziationen von Zentren, einer Quelle oder einer
    Achse wachriefen.
    Diese immer wiederkehrende Thematik sowie deren mythischer Charakter lassen kaum daran zweifeln, daß es sich bei den unter Harmalineinwirkung ins Bewußtsein projizierten transpersonalen Erfahrungen (und ihrer Symbolik) um eine Art jungsche Archetypen handelt, und daß solche Reaktionen für
    Harmalin kennzeichnend sind. Wer die jungsche Sicht teilt,
    wird es natürlich finden, anzunehmen, daß auch die künstliche
    Auslösung
    archetypischer
    Erfahrungen
    der
    Integration
    der
    Persönlichkeit und damit der psychischen Heilung förderlich
    sein könnten. Doch hatte man mit der Beobachtung der psychotherapeutischen Ergebnisse bei Harmalinanwendung keineswegs vorgehabt, jungs Hypothese zu testen. Diese Ergebnisse traten als dramatische Überraschung bei dieser Untersuchung zutage, und zwar schon ehe man das Auftreten gleicher 132

    Bilder feststellte. Aus der Gruppe der dreißig freiwilligen Probanden war für fünfzehn die Erfahrung mit Harmalin von therapeutischem Nutzen, und zehn zeigten sichtliche Besserung oder Veränderung der Symptome, wie sie sonst nur nach intensiver
    psychotherapeutischer
    Behandlung
    zu
    erreichen
    sind.
    Acht dieser zehn waren Psychoneurotiker, und ein weiterer litt
    an einer Charakterneurose, der er sich kaum bewußt war. Diese
    neun machten 60 Prozent der Probanden mit deutlichen neurotischen Symptomen (N - 15) aus.
    Mein Mangel an weiterer Erfahrung mit reinem Harmalin ist
    auf den Umstand zurückzuführen, daß ich mich seit jener Untersuchung mit der Erforschung von Harmalinverbindungen wie Harmalin-MDA, Harmalin-TMA (TMA - trimethoxyam-phetamin), Harmalin-Meskalin und anderen befaßte. Da ich
    jedoch in diesem Kapitel einen Eindruck von der Wirkung und
    Anwendung des reinen Harmalins vermitteln möchte, beschränke ich mich hier auf den Hinweis, daß diese Harmalinverbindungen aus psychologischen oder physiologischen Gründen in Fällen, in denen Patienten auf die reine Droge nicht ansprechen, von Nutzen sein können.
    Auf welche Weise die Harmalinerfahrung zur Besserung
    führte, läßt sich nur schwer erklären. Gewöhnlich trat in diesen
    Fällen die Besserung spontan ein und ohne notwendigerweise
    die Einsicht des Patienten in die speziellen Konflikte seines
    Lebens zu

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