Die Reise zum Ich
aber
auch als das Äußerste, was wahrzunehmen er sich gestatten
konnte,
ohne
seine
derzeitige
Persönlichkeitsstruktur
in
Frage zu stellen.
In jenem Zustand - des Unwohlseins, der Erschöpfung, des
Halbschlafs (mit wirren Träumen), - den der Patient während
des längsten Teils der Sitzung durchlitt, ist die typische »Gegen-
Reaktion« auf Harmalin zu erkennen. Obwohl sehr viel für ein
rein physisches toxisches Syndrom sprechen mag, läßt doch der
Zeitpunkt ihres Einsetzens, der Typus der dafür anfälligen
Individuen sowie der Kontext, in dem diese Reaktion auftritt,
kaum daran zweifeln, daß es sich um ein psychosomatisches
Syndrom handelt. In diesem speziellen Fall, der hier für viele
andere stehen kann, scheint mir im lethargischen Verhalten ein
aktives Ausweichen vor der unbehaglichen Alternative gegeben zu sein: den im Gange befindlichen Prozeß (den Strom von Bildern, Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen) in sich aufzunehmen oder mit dem Therapeuten in Kommunikation zu treten. Die Frage, warum sich seine Erfahrung in eine so unerfreuliche verwandelte, ist vielleicht so nicht richtig gestellt. Der Schmerz der Selbstkonfrontation kann durchaus eine individuelle Konstante sein, die den derzeitigen Zustand der jeweiligen Person widerspiegelt. Wenn das so ist, muß ich in unserem Fall
fragen, wie es überhaupt möglich war, daß die visuelle Erfahrung bereits in den ersten Minuten eintrat. Aus dem gleichen Grunde, meine ich, aus dem visuelle Erfahrungen bei seelisch
Gestörten durchweg auftreten: Ihre Realisierung wird nur
durch die zeitweilige Ignorierung ihrer letzten Konsequenz
möglich; ein Seinszustand wird abstrakt erfaßt (nicht als begriffliche Abstraktion, sondern eher erfühlt), wie man den Duft einer Rose wahrnehmen kann, ohne sie zu sehen.
Es dürfte reine Spekulation sein, ob der anfänglich beglückte
Zustand des Patienten angedauert hätte, wenn ich ihm nicht mit
Fragen zu Leibe gerückt wäre. Offensichtlich stellte mein Fragen eine Herausforderung an sein Bewußtsein dar, der er nicht gewachsen war; doch ist es denkbar, daß er, seinem eigenen
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Rhythmus überlassen, von selbst die entsprechenden Antworten gefunden hätte. Die Mehrzahl der Personen zeigt unter Harmalin-Einfluß natürliche Kontaktunlust (das genaue Gegenteil zur typischen MDA-Erfahrung), was durchaus als konstruktives Verhalten gewertet werden kann; der Sämling wird abgeschirmt, um in Ruhe heranreifen zu können — wie im
Eingangskapitel im allgemeineren Sinn beschrieben, rama-
krischnas bekannte Metapher von der Meditation und dem
Weg zur Loslösung mag auch hier gelten: Hat sich die Butter
durch die Erschütterung des Butterns einmal von der Milch
getrennt, kann man sie ruhig wieder ins Milchserum oder in
Wasser legen; sie wird sich nie wieder auflösen. Ob ich vorzeitig
Wasser über die Butter schüttete oder nicht, dessen bin ich mir
nicht sicher, doch bringe ich diese Frage aufs Tapet, weil sie
deutlich illustriert, worin ich einen Nachteil der ausschließlich
Harmalin-gesteuerten Behandlung sehe: in der Schwierigkeit,
das rechte Gleichgewicht zwischen Stimulierung und Nichteinmischung zu treffen.
Gibt man zu wenig Unterstützung, kann der Patient in seiner
Inaktivität verharren, und bei der Sitzung kommt nichts heraus.
Unangebrachte Intervention hingegen kann die für die erfolgreichen Harmalin-Erfahrungen typische organische Entwicklung zum Stillstand bringen. Für die Steuerung ist hier also mehr Feingefühl erforderlich als bei jeder anderen Droge.
Erfolgreichere
Harmalin-Erfahrungen
zeichnen
sich
durch
Spontaneität aus und stellen den Therapeuten kaum vor Probleme. Im Gegensatz zur Selbstexploration mit Hilfe zwischenmenschlichen Kontakts liegt es wahrscheinlich in der Natur archetypischer Erfahrungen begründet, daß dem Ego des Patienten nichts weiter übrigbleibt, als beobachtend stillzuhalten.
Indes ist die mühelose spontane Entfaltung von Bildern und
psychologischen Vorgängen nicht jedem gegeben; so ist es Sache des Therapeuten, diesen Prozeß herbeizuführen, wenn er nicht von selbst in Gang kommt.
Zur Verdeutlichung will ich hier einige Notizen aus einer weniger interessanten Sitzung bringen, die indes für viele andere stehen kann, bei denen die Patienten oder Probanden sich
selbst überlassen wurden. Hier handelte es sich um eine ziemlich konventionelle Frau über dreißig, die an einer Angstneurose litt. Das folgende Fragment kann als
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