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Die Reise Zur Stadt Der Toten

Die Reise Zur Stadt Der Toten

Titel: Die Reise Zur Stadt Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Tyl an und holte eine Handvoll kleiner, runder Wattebäusche heraus.
    Lyra sah sich das Paar an, das er ihr reichte. »Wozu sind die?«
    Tyl deutete auf zwei kleine Anhängsel seiner Kopfbedeckung, die er sich nach oben geklappt hatte, und schob einen der Wattebäusche hinein.
    »Oh!« Lyra war gar nicht aufgefallen, daß sie jetzt schreien mußten, um sich trotz des immer näherkommenden Brausens verständlich zu machen; aber als sie jetzt die Wattebäusche hineinschob und Stille herrschte, wurde es ihr bewußt.
    Trotz dieser Vorkehrungen waren sie völlig unvorbereitet auf den Anblick, dem sie sich gegenübersahen, als sie um eine scharfe Biegung im Canyon bogen.
    Einige Kilometer vor ihnen vereinigten sich die steilen Felsmauern und bildeten einen vertikalen Spalt, der höchstens vier Kilometer breit war. Zum ersten Mal, seit sie den Skar verlassen hatten, vergaß Etienne den Ärger, den Lyra ihm bereitet hatte. Staunen erfüllte ihn.
    »Wie hoch?« rief sie ihm zu, wobei sie sich so nahe an ihn beugte, daß er sie trotz seiner Ohrstöpsel hören konnte. Er hatte bereits mit dem Universalinstrument an seinem Handgelenk eine Messung vorgenommen.
    »Zweitausendfünfhundert Meter!« Nur die Tatsache, daß der Gischt nicht halb so hoch wie die Fälle selbst aufstieg, ließ sie die Klippe erkennen, wo der Aurang-Fluß über den Rand des Guntali-Plateaus stürzte. Es war großartig und beängstigend zugleich, und das Ergebnis war eine Kaskade von unvergleichlichen Proportionen, wie sie vielleicht einer Welt der geologischen Superlative gebührte.
    Es schien unmöglich, daß das Gestein am Grund eines derartigen Stromes dem Aufprall von soviel aus dieser Höhe herunterstürzenden Wassers widerstehen konnte, ohne in kürzester Zeit zu Staub zu werden. Ebenso unmöglich konnte man sagen, wie das uralte, mehrstöckige Gebäude standhielt, das sich rechts vom Wasserfall an die Klippe klammerte - wo es doch schon vor Hunderten von Jahren von der Vibration hätte in Stücke gerissen werden müssen.
    Tyl deutete darauf. »Moraung Motau.«
    »Wie alt?« schrie Lyra, während sie darauf zuritt.
    »Tausend Jahre, zweitausend - wer kann das sagen?« Tyl gab seinem Lekka die Sporen.
    Hunderte von Fenstern warfen das Sonnenlicht von dem ausgedehnten, am Fels emporkletternden Gebilde zurück, das mehr als groß genug schien, um die ganze Bevölkerung von Turput aufzunehmen. Riesige Halbreliefs bedeckten die Fassade mit ineinander verschlungenen Figuren und Dekorationen. Nur die Tatsache, daß das Gebäude aus dem nackten Gestein der Klippe gehauen worden war, ließ es die ständige Vibration ertragen, die der nahe Wasserfall erzeugte.
    Einige tausend Jahre, hatte Tyl gesagt, und Etienne hatte keinen Anlaß, an den Worten des Tsla zu zweifeln; schließlich hatten sich seine Auskünfte bislang auch in allen anderen Dingen als wahrheitsgemäß erwiesen.
    Während sie näherkamen, sahen sie, daß die dicken, grünen Linien, die den unteren Teil der Klippe zu beiden Seiten des Cuparaggai bedeckten, keine aus dem Stein gehauenen und bemalten Dekorationen waren, sondern ungeheure Lianen von einer Größe und einer Art, wie sie sie bisher noch nie auf Tslamaina gesehen hatten. Tsla waren zwischen den Pflanzen tätig und arbeiteten an Wurzeln und Blättern. Sie trugen längere Umhänge aus irgendeinem glänzenden Material, das sie davor schützte, von der allgegenwärtigen Gischt durchnäßt zu werden.
    Tyl zügelte sein Lekka, und die zwei Menschen wurden ebenfalls langsamer.
    »Reiten wir nicht weiter?« fragte Lyra. Sie mußte schreien, um sich über dem Donner des Cuparaggai verständlich zu machen. »Werden wir nicht in den Tempel hineingehen?«
    Tyl machte eine verneinende Geste und sah sie nachsichtheischend an. »Es tut mir leid. Aber das ist nicht erlaubt. Ihr seid keine Initiaten. Ihr würdet es auch nicht sehr lange ertragen können. Die Mönche, die in Moraung Motau leben und arbeiten, sind ganz auf die alten Bücher eingestimmt. Außerdem sind sie völlig taub. So ist es immer gewesen.«
    Er führte sie durch das Tor eines naheliegenden Bauernhofs. Etienne konnte nicht sagen, ob die Station vorbereitet gewesen war; aber der Besitzer und seine beiden Gefährtinnen waren so herzlich und so entspannt, als hätten sie ihre Gäste schon seit Jahren gekannt.
    Dort blieben sie und verbrachten den Rest des Tages mit Gesprächen, oder besser gesagt, jeder hörte sich höflich Lyras endlose Fragen an und bemühte sich, sie zu beantworten.

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