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Die Reise Zur Stadt Der Toten

Die Reise Zur Stadt Der Toten

Titel: Die Reise Zur Stadt Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Sie erkundigte sich nach der Arbeitsteilung im Tal, der Familienstruktur, dem mönchischen Ritual, den Handelsgepflogenheiten und denen der Erziehung und was sich die Tsla vom Leben nach dem Tode erwarteten, bis der arme Bauer und seine Frauen schließlich erschöpft waren. Dann schaltete Tyl sich ein.
    »Vieles von dem, was Ihr von diesen Leuten fordert«, sagte er höflich zu Lyra, »können sie Euch nicht geben, aus Gründen des Unwissens, ihrer Hemmungen oder weil sie es nicht sicher wissen. Ebensowenig kann ich es. Es gibt aber einen, der Eure Neugierde befriedigen könnte.«
    »Dann möchte ich ihn kennenlernen.«
    »Mii-an ist Chef-Tröster und Erster Gelehrter von Turput. Seine Zeit ist nur knapp bemessen, denn er ist alt und müde. Aber ich glaube, er wäre einverstanden, sein Wissen mit Euch zu teilen.«
    »Das wäre herrlich.« Lyra legte ihrem Mann die Hand auf den Arm. »Wäre das nicht wunderbar, Etienne?«
    »Wunderbar. Es macht dir doch nichts aus, wenn ich nicht mitkomme?«
    Sie sah ihn schockiert an. »Etienne, das ist eine ganz einmalige Chance. Wie kannst du …?« Sie hielt inne, hustete. »Du würdest dir lieber die Steine ansehen, nicht wahr?«
    »Richtig. Ich würde mir lieber die Steine ansehen. Geh du nur und setze dich zu Füßen dieses Trösters.« Er blickte an ihr vorbei und sah Tyl an. »Wenn es keine Belästigung ist.«
    »Freund Etienne, das Teilen von Wissen ist nie eine Belästigung, ebenso wie das Teilen des Ich. Es gibt Freude.«
    Auf dem Rückweg nach Turput ließ Etienne sein Lekka etwas hinter das von Tyl zurückfallen, so daß er zu seiner Frau sprechen konnte, ohne schreien zu müssen.
    »Lyra, hast du nicht auch den Eindruck, daß du anfängst, diese Leute mit nicht ganz der gebotenen wissenschaftlichen Distanz zu betrachten? Gerade du solltest doch wissen, daß man eine primitive Rasse nicht idealisieren darf, ganz gleich, wie attraktiv ihre Philosophie auch von außen betrachtet scheinen mag.«
    »Das geht tiefer. Du mißt der Technologie einen zu hohen Wert bei, Etienne. Es gibt andere Definitionen für den Fortschritt, andere Arten höheren Wissens.«
    Er bemerkte, daß er schon wieder anfing ärgerlich zu werden. »Jetzt hör aber auf, Lyra! Diese Tsla sind recht nett und scheinen auch mit sich selbst sehr zufrieden zu sein. Aber das ist doch kaum genug Grund, gleich so zu übertreiben. Ich hätte nie gedacht, ich müßte einmal mitansehen, wie du in romantische Verzückung über ein paar elefantennasige Aborigines ausbrichst.«
    »Den Begriff ›Aborigines‹ würde ich für sie ganz bestimmt nicht gebrauchen«, erwiderte sie kühl. »Sie sind weit über dieses Stadium hinaus fortgeschritten. Und was romantische Verzückung‹ angeht, so glaube ich nicht, daß du dazu qualifiziert bist, dieses Wort zu benutzen.«
    Ihr ganzes Verhalten schien ihm so absurd, daß die Zurückweisung ihre gewünschte Wirkung verfehlte. »Das soll eine wissenschaftliche Expedition sein«, meinte er, »und wir waren wirklich sehr beschäftigt. Es tut mir leid, wenn ich nicht viel Zeit für Romantik gefunden habe, aber ich bin es nicht gewöhnt, eine Gitarre unter vier Monden zu zupfen, geschweige denn unter einem. Außerdem paßt der Schuh auch auf den anderen Fuß. Vielleicht gehört da auch etwas Aufmunterung dazu.«
    Sie zuckte zurück, und ihre Stirn runzelte sich. »Gelegenheit hab’ ich dir genug gegeben.«
    »Was du nicht sagst! Und wie genau definierst du Gelegenheit und was hat das eigentlich mit Ermutigung zu tun? Du weißt genau, daß das zwei Paar Stiefel sind.«
    »Wenn du es nicht weißt«, fauchte sie ihn an, »kann ich es dir ganz bestimmt nicht sagen.« Sie gab ihrem Lekka die Sporen, bis es wieder neben ihrem Führer dahintrabte.
    Etienne sah zu, wie die beiden eine angeregte Diskussion über irgendeinen obskuren Aspekt des Tsla-Verhaltens anfingen. Verknallt, sagte er sich. Eine gute Wissenschaftlerin wie Lyra, verknallt in ein Rudel pelzbedeckter Primitiver. Unvorstellbar!
    Nun, über kurz oder lang würde sie darüber hinwegkommen. Alles an der Tsla-Kultur war ihr neu, jedes Stückchen Information, das sie bekam, eine Überraschung und ein völliger Kontrast zu allem, was sie bisher über die Mai in Erfahrung gebracht hatten. Sobald sie das überwunden hatte, würden sie wieder in den Barshajagad hinunterziehen, und dann würde das Leben wieder seinen normalen Verlauf nehmen. Sollte sie doch über ihre Arbeit jubilieren. Er hatte zur Abwechslung selbst genügend zu tun.

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