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Die Reise Zur Stadt Der Toten

Die Reise Zur Stadt Der Toten

Titel: Die Reise Zur Stadt Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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daß es keinen Sinn hat, mich dir anzuvertrauen.«
    »Lyra …« Sie zögerte. »Lyra, wir sind erst ein paar Wochen hier. Die Tsla sind keine Naturwunder und sie sind ebensowenig lebende Beispiele für Rousseaus edlen Wilden. Sie sind einfach nettere Leute als die Mai. Wer weiß, vielleicht bringen sie dafür alle sechs Monate blutige Massenopfer dar.«
    »Ich verstehe deine Feindseligkeit nicht. Warum diese plötzliche Antipathie gegenüber den Tsla? Sie sind stets perfekte Gastgeber gewesen.«
    »Ich empfinde keine Antipathie, und das, was ich sage, hat mit den Tsla überhaupt nichts zu tun. Ich sage lediglich, daß man als gewissenhafte Forscher keine vorschnellen Schlüsse ziehen, geschweige denn Werturteile über eine ganze Rasse auf der Grundlage von ein paar Wochen abgeben sollte, die man bei einer kleinen Gruppe von Dorfbewohnern verbracht hat.«
    »Da muß ich dir recht geben, Etienne. Es bedarf noch ausgiebiger Feldstudien, um meine Erkenntnisse zu bestätigen. Ich werde hier einige Bände schreiben müssen. Bis jetzt hatte ich noch nicht einmal Zeit zu untersuchen, wie die Position der Tsla als Vermittler zwischen den Mai und den Na ihre Lebensphilosophie und ihre gesellschaftliche Entwicklung beeinflußt hat.«
    »Ich bin ganz sicher, daß jemand eines Tages all diese xenologischen Fragen zufriedenstellend klären wird.« Sie sagte nichts - und da kam ihm plötzlich ein Gedanke, und sein Tonfall veränderte sich. »Lyra, versuchst du mir etwas zu sagen?«
    »Ja. Ich bin noch nicht bereit, wieder ins Skar-Tal zurückzugehen, Etienne. Meine Arbeit hier hat kaum angefangen.«
    »Und wann wirst du dazu bereit sein, Liebste?«
    »Vielleicht in ein paar Monaten. Früher ganz bestimmt nicht.«
    »Dann wäre hier Winter. Das würde uns hier keine Probleme bereiten, aber in der Nähe des Polarkreises könnte der Skar einfrieren. Das Boot ist nicht für das Gleiten auf dem Eis eingerichtet, Lyra. Wir können keine zwei Monate warten.«
    Sie drehte sich wieder herum, ein Wirbel grellbunt gestreifter Farben. »Es tut mir leid, Etienne, aber ich kann meine Arbeit hier nicht im Stich lassen. Wie du so richtig erwähntest, verfüge ich nicht über ausreichendes Beweismaterial, um meine zahlreichen Schlüsse zu bestätigen.«
    »Wo gehst du hin?«
    »Abendmeditation. Man hat mich eingeladen zuzusehen und, wenn ich das will, teilzunehmen. Ich würde dich auffordern, mitzukommen, aber du würdest ja ein Rudel Aborigines nicht sonderlich interessant finden, die herumsitzen und versuchen, mit ihrem inneren Ich in Verbindung zu treten, oder?«
    Und damit ging sie hinaus. Er blickte ihr lange Zeit nach.
    »Nun, da soll mich doch der Teufel holen!« Er hätte seinem Bett einen Tritt versetzt, wenn das nicht aus massivem Felsgestein gewesen wäre. Statt dessen begnügte er sich damit, die Faust in die offene Handfläche zu schlagen, bis diese weh tat.
    Eines stand für ihn fest: Ganz gleich, für wie wichtig Lyra auch diese Arbeit hier hielt - sie mußten zum Skar zurückkehren; so war die Verabredung. Ähnliche Verabredungen hatten ihre Ehe zwanzig Jahre lang zusammengehalten, und verdammt wollte er sein, wenn er diese Beziehung deswegen änderte, bloß weil sie sich in eine Rasse pseudolamaistischer Ameisenbären mit seelenvollen Blicken vergafft hatte.
    An diesem Abend kam sie nicht in ihr Zimmer. Das war nicht das erste Mal, daß sie die ganze Nacht weggeblieben war; aber es war das erste Mal, daß er lange genug wachgeblieben war, um es zu bemerken. So kam es, daß er sehr früh am nächsten Morgen zielsicher den Korridor hinunterschritt, auf das Quartier der Träger zu.
    Ebenso wie seine Gefährten lag Homat unter einem halben Dutzend schwerer Wolldecken und schlief. Etienne schätzte die Zimmertemperatur auf achtzehn Grad. Er stieß den Mai unsanft an.
    »Was ist denn, de-Etienne?« fragte Homat, während er sich die Augen rieb.
    »Steh auf! Alle sollen aufstehen! Wir reisen ab!«
    »Wir reisen ab, de-Etienne? Ich dachte … Du hast davon nichts gesagt, und es ist sehr früh.«
    »Die Pläne sind plötzlich geändert worden. Ihr werdet herausfinden, daß wir Menschen die Tendenz haben, plötzliche Entscheidungen zu treffen.«
    »Das verstehe ich, de-Etienne, aber …«
    »Ich bin im Hof, wenn du mich brauchst. Sag denen, sie sollen sich beeilen!« Er ließ einen sehr verwirrten Mai zurück.
    Offenbar war die Meditation vorbei, oder möglicherweise hatte auch jemand seine Frau aus ihrer Kontemplation gerissen. Sie

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