Die Reise Zur Stadt Der Toten
flüsterte: »Das ist der Gefährte der Fremden!« Lyra brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm den Rüssel zuhielt.
»Da, wenn Etienne sie losschneidet, mußt du sie nehmen und sie irgendwo beiseite legen.« Der Tsla gehorchte stumm.
Etienne lächelte bei sich. Die Tsla mochten zwar Anhänger einer fatalistischen Philosophie sein, aber das ging sichtlich nicht so weit, daß sie einfach träge abwarteten und zusahen, wenn sich eine Chance zur Flucht bot.
»Etienne, was, zum Teufel, machst du hier?«
»Prinzessin vor anberaumter Grillparty retten.« Eine weitere Verbindung löste sich, und er machte sich an den oberen Knoten zu schaffen. Einer der Tsla-Männer packte den losgebrannten Knochen, um zu verhindern, daß er umfiel.
Lyra saß außer Reichweite der summenden Pistole und schüttelte den Kopf. »Irgendwie hätte ich dich nie einer solch heroischen Geste für fähig gehalten, Etienne.«
»Lyra, halt den Mund, ich hab zu tun!« Ein paar weitere Sehnen lösten sich, und er machte sich an die, die die zweite Querstange festhielten, während die Tsla vorsichtig die erste entfernten.
Der zweite Knochen löste sich leicht, und wieder schoben die Tsla ihn beiseite. Lyra verließ den Käfig als erste, und Etienne fing sie auf, als sie taumelte. Ihre Muskeln waren von der Kälfte und ihrer verkrampften Haltung taub.
Einen Augenblick lang befürchtete er, sie könnte irgendeine Verletzung davongetragen haben; aber die Sorge nahm sie ihm schnell.
»Ich bin noch ganz. Wenn ich auch geglaubt hatte, ich müßte in diesem verdammten Sack ersticken.« Die Tsla drängten sich jetzt wortlos hinter ihr ins Freie und blickten verwirrt in die Runde. »Wir sind auf dem Guntali, nicht wahr? Der Sack war undurchsichtig, also konnte ich mich nicht orientieren.« Er nickte. »Kein Wunder, daß mir so kalt ist.«
»Die weiteren Einzelheiten kannst du mir ja später erzählen«, riet er ihr nach einem besorgten Blick an ihr vorbei auf den schlummernden Wachtposten.
»Wir sind dankbar«, sagte der älteste Tsla unter den Gefangenen.
»Das könnt ihr sein, wenn wir sicher zurück in Jakaie sind«, ermahnte Etienne. »Folgt mir und haltet euch geduckt!« Er begann den Wiederaufstieg, indem er sich mit dem Bauch gegen die Wand preßte, und blickte einmal zurück, um sich zu vergewissern, daß Lyra dicht hinter ihm war. »Brauchst du Hilfe?«
»Nein. Es tut nur einfach gut, sich wieder zu bewegen.«
Als sie die Kraterwand hinter sich gebracht hatten, holte er ihren Thermoanzug heraus. Sie fror so, daß sie dreimal so lang brauchte, sich den Anzug anzulegen.
»Ich bin froh, dich wiederzusehen, Lehrer. Ich habe mich um dich geängstigt.«
Sie sah Yulour überrascht an und spähte an ihm vorbei, um die anderen zu sehen, die mit ihrem Mann gekommen waren. Ihre Enttäuschung war selbst in der Dunkelheit offenkundig.
»Etienne, du würdest nie glauben, wozu diese Na fähig sind. Ihre Grausamkeit ist natürlich nicht absichtlich. Sie sind einfach so. Aber ihre Opfer leiden unnötig. Tatsächlich muß ich sagen - wenn auch aufgrund vorläufiger Studien, die zugegebenermaßen nicht gerade unter optimalen Umständen stattfanden -, daß sie keinerlei irgendwie sympathische gesellschaftlichen Charakteristika haben.«
»Sobald dir wieder etwas warm ist, werden dir schon welche einfallen. Am Ende wirst du dann einen ausgeglichenen Bericht liefern. Das tust du immer.«
»Mag sein. Aber im Moment ist mir gar nicht ausgeglichen zumute.«
Als die letzten der Tsla-Gefangenen sie eingeholt hatten, sagte Etienne eindringlich zu ihnen: »Wie ihr wißt, bin ich der Gefährte der weisen Lyra. Wir gehen jetzt nach Jakaie zurück. Bleibt dicht beieinander, und keiner sagt etwas, wenn es nicht absolut notwendig ist! Wir müssen uns so schnell wie möglich bewegen. Wenn jemand aus irgendeinem Grund zurückbleibt oder sich verläuft …«
»Wir wissen, was wir tun müssen«, sagte der älteste Tsla. »Aber wir kennen den Weg zurück zu unserer Stadt nicht.«
»Wir schon. Also bleibt dicht bei uns!« Lyra fest an der Hand haltend, drehte er sich um und folgte Yulour, der die Spitze übernommen hatte. Die Tsla trabten schweigend hinter ihnen her.
14. Kapitel
Den Rest der Nacht schleppten sie sich durch Kälte und Wind weiter hinter Yulour her. Etienne sah immer wieder auf die Instrumente an seinem Handgelenk, war aber froh darüber, daß er sich auf Yulours Geruchssinn verlassen konnte, wenn es darum ging, ihren Kurs zu bestätigen. Als dann die
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