Die Reisen des Mungo Carteret
aus denen die Köche von Orbasang die gewöhnlichen Speisen bereiteten.
Die anderen arbeiteten ebenfalls in der Nahrungsherstellung. Offenbar hatten die Grandgourmets unter den Ratsmitgliedern gezielt und nicht ohne eine gewisse Perversion jene vier Leute ausgewählt, die sich am besten mit den Giften und der Eßbarkeit planetarer Produkte auskannten. Die zweite Frau war Wildbretspinnerin; aus den entgifteten Fasern erlegter Tiere wurden Gemüsesur rogate hergestellt. Die beiden Männer, ebenfalls nicht mehr jung, waren leitende Mitarbeiter der weitläufigen Zuchtgärten nördlich des Hafengeländes, in denen mühsam modifizierte einheimische Pflanzen mit Nahrungsträgern von anderen Planeten gekreuzt wurden. Hauptprodukt der Gärten war ein Zeug namens Ktchiq; es bestand aus Substraten von zweihundertelf Pflanzensorten, konnte gebacken, gekocht, gebraten werden und lag als Plätzchen auf dem Tisch. Carteret kostete und beherrsch te sich; es schmeckte wie ältlicher Fisch, ranzige Pfefferminztunke und ausgetretene Socken.
»Sehen Sie«, sagte der ältere der Männer, »wir nehmen diese Art Entwicklungshilfe, die sich aus dem Ganzen ergibt, wirklich sehr dankbar an. Was die Eßbarkeit unserer Tiere und Pflanzen angeht, sind wir nicht der Meinung der feinen Leute von der Lukul . Dazu sind unsere Friedhöfe zu … belebt. Und als wir abgeflogen sind, lebte dieser Magier noch.«
Carteret legte scharfe, farbige, scheußliche Aufnahmen auf den Tisch und beschrieb Ytongs Sterben. »Sie kennen sich doch mit allem aus, was man hier essen darf und besser nicht essen sollte. Sehen Sie irgendeine mögliche Ursache für diese Form des Sterbens? Irgend etwas in den Ihnen bekannten hiesigen Giften, was einzeln oder zusammen mit anderem diese Wirkung haben könnte?«
Nach längerem Studium der Bilder schüttelten alle den Kopf. Carteret dankte ihnen und begab sich zur größten Entgiftungsfabrik von Bizano. Die dortigen Chemiker und Toxikologen konnten ihm auch nicht weiterhelfen; nach ihrer Ansicht gab es auf Orbasang nichts, was Ytongs furchtbaren Tod verursacht haben konnte.
»Das Problem ist«, sagte Havamal am vierten Tag, als sie genauso weit waren wie zu Beginn, »daß es zu viele Kombinationen gibt.«
Carteret trank kalten Kaffee, grunzte und betrachtete den Widerschein der vom Chrom des Salons verstärkten Lampen auf Havamals Goldlamellen. Der Ohrring war ein irritierender Lichtpunkt. »Wieso? Ich dachte, Sie hätten alle Giftkombinationen im Griff, Erasmo.«
»Ijaaaa. Aber …« Havamal stülpte die Lippen vor und strich über die Platte des Mahagonitischs. »Sehen Sie, das Holz hier stammt von der Erde; Ihr kalter Kaffee auch. Kaffee ist ein gutes Beispiel. Grüne Bohnen, die geschält, geröstet, gemahlen und mit heißem Wasser begossen werden müssen. Es gibt in der Galaxis Milliarden Substanzen, die niemals zertrümmert, geröstet und begossen worden sind. Wenn wir ein Ding betrachten, wissen wir nicht, was man daraus machen könnte. Grob gesagt – vielleicht wird gaianisches Stethogras, wenn man es kocht, mit Ingwer und Zyanid versetzt und in Senf-Sahne-Sauce ziehen läßt, genau die Wirkung hervorrufen, die bei Ytong eingetreten ist. Bloß …« Er wackelte mit dem Kopf.
»… niemand hat es je versucht, und alle theoretisch möglichen Versuche mit allen Substanzen des Kosmos können wir nicht anstellen.« Carteret wischte sich über die müden Augen; sie brannten. »Mir wäre wohler, wenn wir erst so etwas wie ein Motiv hätten. Für einen Mord. Selbstmord scheidet aus, nach allem, was wir wissen. Unfall vermutlich auch – sagen Sie ja. Was haben wir?«
»Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem komischen Moloch haben.« Havamal grinste schwach.
»Berge von Daten, die nicht zueinanderfinden. Jedenfalls kein Motiv für einen Mord an Ytong.«
Havamal nickte; Schweißtropfen glitzerten auf seiner Glatze. »Also, ich habe modifizierte Silikate, eine Kieselsäure, ein instabiles tierisches Eiweiß. Dazu torgyrisches Pseudomangan. Alles zusammen ergibt diesen explosiven Beton, der sich mit Ytongs Gedärmen vermengt hat.«
»Also gut.« Carteret seufzte. »Gehen wir zum zwanzigsten Mal die Speisekarte durch.«
- Aperitif: Cocktail aus diversen Obstschnäpsen und passierten Früchten (8 einander neutralisierende Nervengifte), dazu Eisschalen mit Vyando-Austern (2 Eiweiß-Gifte; bis +4,31°C harmlos und vom menschlichen Speichel zu zerlegen, ab +4,32°C aktiv und beschwerlich, ab +5°C tödlich).
- Erster Gang:
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