Die Reisen des Mungo Carteret
Qorba den Kopf.
»Wart’s ab. Er müßte gleich kommen.« Nach dem ers ten Schluck räusperte er sich. »Was hältst du von rasieren und umziehen?«
Mungo schrappte mit den Fingernägeln über seine zwölf Stunden alten Stoppeln und schaute hinunter auf die etwas zerknautschte und nicht mehr ganz weiße Leinenhose. »Für eine Dame jederzeit«, sagte er. »Aber er ist keine Dame, oder? Und wenn er mich ins Niemands land schicken will, geht es wohl kaum um eine Modefrage.«
Salibi zupfte ein Fädchen vom Revers seines leichten Sommerjacketts, streckte die Beine aus, betrachtete die Bügelfalten der vermutlich teuren Hose, wackelte mit den Füßen, die in Wildledermokassins steckten, und sag te: »Tja.«
Hilaire Loredano betrat die Suite mit einem nervös dreinblickenden Sekretär oder Adlatus, geleitet von ei nem SIC-Mann und einem bulligen Leibwächter. Carteret erkannte ihn sofort. Loredano gehörte zu den wichtigsten Köpfen der Wirtschaft nicht nur im Siriussektor; wer sich gelegentlich auf Irrfahrten durch den Dschungel der Wirtschafts- und Finanzmeldungen begab, mußte ihm dort begegnen – ihm, seinem Bild, seinen Äußerungen, seinen Bilanzen.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er nach der Begrüßung, zu der Salibi und Carteret aufgestanden waren. »Und lassen Sie uns gleich zur Sache kommen. Nein, ich trinke nichts.«
Nichts Überflüssiges wie bitte, danke, gern; die Stim me war beherrscht und kratzte ein wenig. Loredano war mittelgroß, dunkelhaarig und hatte olivfarbene Haut. Aus den Bewegungen des Mannes schloß Carteret darauf, daß er irgendeinen Kampfsport betrieb, um sich in Form zu halten. Jedenfalls schien es an dem Körper, der in einen schwarzen Seidenanzug und ein hellgrünes Seidenhemd gehüllt war, kaum ein Gramm Fett zu geben.
Die Augen – fast schwarz – ruhten einen Moment auf Salibi, ehe sie Carteret abtasteten, sezierten und unbehaglich eindringlich analysierten. So kam es Mungo vor, und er sagte sich, daß er mit Loredano höchst ungern um Geschäfte oder einen Aufschub der von diesem angeordneten Hinrichtung feilschen würde.
»Als kapitán Salibi mir Ihren Namen nannte, habe ich Erkundigungen eingezogen. Sie werden sich an Malaqesh erinnern; er empfiehlt Sie. Als unkonventionell und kompetent.«
Carteret nickte. »Danke.«
Natürlich erinnerte er sich an Tendo Malaqesh, den Milliardär und grand gourmet , und an die verwickelten Ermittlungen, die er für diesen durchgeführt hatte. Und es verblüffte ihn keineswegs, daß Loredano und Malaqesh einander kannten. Große Raubtiere unter sich …
»Salibi hat Ihnen gesagt, was ich zahle.« Keine Frage, eine beiläufige Feststellung. »Es geht um dieses Problem. Hossein.«
Der Sekretär/Adlatus hatte einen Mikrowürfel in die Eingabe der Anlage geschoben; der riesige Bildschirm wurde hell.
Eine aschblonde Frau blickte die Betrachter an. Sie mochte etwa 30 Jahre alt sein und war von einer fragil wirkenden Schönheit. Auf ein undeutliches Knurren hin senkte sie den Blick und begann, mit stockender Stimme von einer nicht sichtbaren Vorlage abzulesen. Ton und Bild schwank ten immer wieder; offenbar handelte es sich um die Aufzeichnung einer Hyperfunkbotschaft aus weiter Ferne.
»An Hilaire Loredano. Man hat mich entführt. Auch die mit ›ABA-geheim‹ gekennzeichneten Unterlagen befinden sich im Besitz der Entführer. Sie fordern eine Milliarde Drachmen und die Überschreibung des Besitzes auf Ulalume für die Rückgabe beider Objekte. Frist ist der sechsundzwanzigste August Gaia-Standard. Sollte bis Mitternacht dieses Tages die Transaktion nicht erfolgt sein, wird es zu Schädigungen kommen.« Sie schluckte, blickte auf und sagte halblaut: »Bitte …« Dann brach die Aufzeichnung ab.
»Meine Frau.« Loredanos Stimme verriet keinerlei Gemütsregung. »Was müssen Sie wissen, um zu übernehmen?«
Carteret nippte an seinem Rotwein. »Alles«, sagte er. »Vor allem, was ich übernehmen soll. Eine Milliarde Drachmen in kleinen Scheinen durch die Milchstraße schleppen?«
»Ich will meine Frau und die Unterlagen haben und nichts bezahlen.«
Carteret hob eine Braue. »Ohne einen gewissen Ma ximalismus wären Sie kaum in Ihre Position gekommen, nicht wahr?«
»Ja. Und deshalb ist meine Zeit zu kostbar für müßi ges Geplänkel. Zur Sache.«
Arisha Punt, Loredanos dritte Frau, war im Niemandsland entführt worden. Sie hatte sich ein paar Tage auf Ulalume aufgehalten, um Geschäfte zu erledigen und sich zu erholen. Den
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