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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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liebenswert und freundlich war.
    Von Milet fuhren sie nach Süden, zur Insel Kos, stets getragen von jenem günstigen Nordwind, der die Luft kühlt und der Ägäis eine erstaunliche, überdeutliche Klarheit ver-leiht, die man sonst nirgendwo im Mittelmeer findet. Vor fünfhundert Jahren war Hippokrates, der »Vater der Medizin«, auf Kos geboren worden, und zu der Zeit, da Paulus an der Insel vorbeisegelte, schrieb der griechische Arzt So-ranus, der aus Ephesus stammte, gerade an einer Hippokrates-Biographie. Wenn Lukas nie auf der Insel gewesen war, muß er sich jetzt gewünscht haben, sie zu besuchen, war sie doch die Heimat des Mannes, der seinen Heilberuf begründet hatte. Sie legten nicht an, sondern fuhren weiter und lie-
    ßen Rhodos steuerbords liegen. Es mag seltsam anmuten, daß Paulus nie auf Rhodos war. Die rhodischen Seeleute bildeten nämlich das Rückgrat der kaiserlichen Flotte, Handel und Schiffahrt blühten hier. Falls sie nahe an der Stadt vorbeikamen, wird er die Überreste eines weiteren Welt-wunders gesehen haben, des 30 Meter hohen Kolosses von Rhodos. Diese Bronzestatue des Apollo hatte sich über der 320
    Hafeneinfahrt erhoben. Zweihundert Jahre bevor Paulus und seine Gefährten Rhodos passierten, war sie bei einem Erdbeben umgestürzt.
    Jetzt wandten sie sich westwärts, auf die kleinasiatische Küste und Patara zu. Patara gehörte zu den bedeutendsten Städten Lyciens und war eine wichtige Kultstätte des Apollo. Hier gingen sie an Bord eines Kauffahrteischiffs, das nach Phönizien fuhr. Diesmal war es eine recht lange Seereise – an die 650 Kilometer durch das schöne, sommerliche Meer. In der schäumenden Bugwelle sprangen Del-phine. Backbord voraus sichteten sie Zypern, sahen den schimmernden Aphrodite-Tempel über dem Hafen von Paphos aufragen. Paulus muß sich gefragt haben, was wohl aus dem falschen Propheten Bar-Jesus geworden, ob Sergius Paulus noch Prokonsul und seinem neuen Glauben treu geblieben sei. Und dann dehnte sich vor ihnen wieder die offene See, bis sie nach vierundzwanzig Stunden Tyrus erreichten, volkreiche Stadt und geschäftiger Hafen. Es spricht für das Wissen der Kapitäne jener Zeit, das Wissen um Wind und Wetter und den Stand der Sterne, daß sie ihre Ziele so präzis ansteuern und auf dem ganzen Meer einen zuverlässigen Handelsverkehr aufrechterhalten konnten. Ein Seemann unserer Tage wäre nicht gerade entzückt, wenn er ein Schiff ohne Kompaß von Patara nach Tyrus steuern müßte.
    Paulus blieb eine Woche lang bei der Gemeinde von Tyrus, denn es dauerte seine Zeit, bis das Schiff seine Ladung ge-löscht und Exportgüter aus Tyrus an Bord genommen hatte. Doch dann ging es weiter. Bevor Paulus Abschied nahm, flehte man ihn an, er solle sich auf keinen Fall nach Jerusalem wagen. Aber Paulus war bereits entschlossen. Er knie-321
    te am Strand unter den betenden Gläubigen, den Männern und Frauen und Kindern, und sosehr sie sein Herz auch an-rührten, der Weg stand fest. Er ließ sich nicht davon abbrin-gen. Von Tyrus aus segelte das Schiff einige Meilen an der Küste entlang, legte für einen Tag in Ptolemais an und fuhr dann nach Cäsarea weiter. Sie näherten sich dem Ende der Reise. Paulus hatte absichtlich und überlegt einen Weg ge-wählt, der ihm das Ersehnte bringen sollte.
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    Man brauchte kein Prophet zu sein, um vorauszuse-
    hen, wie Paulus’ Besuch in Jerusalem ausgehen wür-
    de. Zu Cäsarea wohnte er im Hause von Philippus, dem Evangelisten. Philippus hatte vier unverheiratete Töchter, und alle warnten ihn, er solle nicht nach Jerusalem reisen.
    Dann kam Agabus, der Mann, der vor vielen Jahren in Antiochien von der Hungersnot in Judäa berichtet hatte. Auch er warnte Paulus, auch er beschwor ihn, nicht zu gehen.
    Agabus war als Prophet bekannt. In einer symbolischen Geste nahm er Paulus’ Gürtel, band sich damit Hände und Füße und sprach: »Das sagt der heilige Geist: Den Mann, des der Gürtel ist, werden die Juden so binden zu Jerusalem und überantworten in der Heiden Hände.« Paulus wußte das bereits, und »die Heiden«, das bedeutete natürlich: die römische Obrigkeit. Genau darauf hoffte er ja, aus keinem anderen Grunde wollte er nach Jerusalem. Doch muß ihm auch bewußt gewesen sein, daß ihm dasselbe Schicksal zustoßen konnte wie seinerzeit dem Stephanus. Er war schon einmal gesteinigt worden und hatte es überlebt, aber diesmal würde es nicht so glimpflich ausgehen. Doch wenn

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