Die Reiter der Sarmaten
zu denken«, sagte ich bitter. »Nein, es gibt nur einen Weg. Ich werde Pervica alles sagen. Entweder muß sie hier bei mir bleiben und ihre Leute von der Farm irgendwohin schicken, wo sie in Sicherheit sind oder sie muß erklären, daß sie nach nochmaliger Überlegung sich entschlossen hat, mich doch nicht zu heiraten, und sie muß von hier fortgehen, als ob wir uns in Feindschaft getrennt hätten.«
Ich nahm die Bleitafel. »Kann ich ihr die zeigen?«
Er nickte. »Es tut mir leid, Ariantes.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein – ich bin Euch dankbar. Wenn sie auf ihre Farm zurückgegangen wäre und man sie meinetwegen umgebracht hätte, hätte ich …«
Ich wußte nicht, was ich getan hätte, und meine Erinnerung stellte mir plötzlich das Bild von Tirgatao vor Augen, so deutlich, als sähe ich es durch ein Fenster – wie sie mit aufgerissenem Leib, in den die Soldaten einen Pferdekopf gesteckt haben, brennend über den Leichen unserer Kinder liegt. Ich ließ die Bleitafel fast zu Boden fallen, und ich mußte die Zähne hart zusammenpressen, um nicht zu schreien.
»Seid Ihr verletzt?« fragte Facilis. Er versuchte, mir die Fluchtafel wegzunehmen, vorsichtig, als fürchte er, sie könnte mich vergiftet haben.
Ich rollte die Bleitafel langsam zusammen und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte ich, »daß wir nicht Verbündete sein können, Marcus Flavius.«
»Was soll das heißen?« fragte er. »Wir sind Verbündete. Aber ich werde Schweigen darüber bewahren.«
Am nächsten Morgen ritt ich früh zum Dorf hinunter, klopfte an die Tür von Flavinas Haus und bat die Dienerin, die öffnete, mich Pervica zu melden. Sie kam gleich selbst zur Tür gelaufen, als sie meine Stimme hörte, und begrüßte mich mit einem so fröhlichen Lächeln, daß ich mich vor Angst und Kummer ganz elend fühlte.
»Ich muß privat mit dir sprechen«, sagte ich.
»Wenn du das möchtest, ich bin einverstanden.« Ihre Augen tanzten. »Aber nicht zu privat: Schone meinen Ruf vor der Hochzeit, bitte!«
»Dann komm mit mir zum Lager«, bat ich sie. »Dort … wir werden schon etwas Passendes finden.«
Wir gingen zu Fuß zum Lager zurück, ich führte mein Pferd am Zügel, weil sie es nicht schicklich fand, vor mir auf dem Sattel sitzend durch das Dorf, das Fort und das Lager zu reiten. Das kranke Bein schmerzte sehr, als wir endlich an meinem Wagen ankamen, ich war müde nach der schlaflos verbrachten Nacht, und die vielen fröhlichen Grüße und Glückwünsche, die uns unterwegs zugerufen wurden, machten alles nur noch unerträglicher. Ich zog ein paar Teppiche aus dem Kreis um das erloschene Feuer vom letzten Abend und legte sie neben die Tür des Wagens. »Ist es dir so recht?« fragte ich. »Hier kann man uns sehen, aber nicht hören.« Sie lachte. »Sehr umsichtig! Ich wünschte, wir könnten auch nicht gesehen werden, aber mit dem guten Ruf ist es wie mit einem Ei: Wenn es einmal zerbrochen ist, kann man es nicht wieder ganz machen.«
Sie setzte sich an das Ende des Wagens, direkt an die offene Tür, und sah neugierig nach hinten. »Weißt du, es ist wirklich hübsch da drin. Es ist wie … wie das Innere eines Schmuckkästchens. Alle diese Teppiche und Schwerter und Dinge. Was ist das haarige Ding da drüben?« Sie langte hinüber und zog unter der Koje neben der Tür den Stapel Skalpe heraus, die ich von den Pferdezügeln entfernt hatte, als wir in Britannien ankamen.
Ich schob sie hastig zurück, und sie sah mich überrascht an. Ich zog mit dem Finger einen Kreis um Stirn und Kopf.
Sie verstand nicht gleich, aber dann erinnerte sie sich an etwas, das sie gehört hatte, und zuckte zurück. Sie warf noch einen Blick auf die Skalpe, aber diesmal mit Abscheu.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Es ist ein Brauch unseres Volkes.«
»Es sind viele«, sagte sie ruhig.
»Achtundzwanzig. Alle von Männern, die ich mit eigener Hand getötet habe. Es gab noch andere, bei denen ich keine Möglichkeit hatte, den Skalp zu nehmen. Ich habe jetzt aufgehört zu sammeln, weil die Römer den Brauch schockierend finden, aber die meisten meiner Männer haben Skalpe von den Kaledoniern genommen, die wir besiegt haben, und ich habe sie gewähren lassen. Sie sind sehr stolz auf ihre Kraft und Geschicklichkeit, und das sollen sie auch sein.«
»Ich werde mich daran gewöhnen müssen«, sagte sie zögernd. »Aber es wäre mir lieb, wenn du diese begraben würdest.«
Ich setzte mich auf den Teppich zu ihren Füßen, zog die Beine an
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