Die Reiter der Sarmaten
Löcher hatte man mit einer Flüssigkeit bestrichen, die wie Blut aussah. Das Ding hatte etwas Böses, Unheilvolles an sich, ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich es berührte. Ich wagte nicht, es näher anzusehen.
»Was bedeutet die Schrift?« fragte ich.
»Die Schriftzeichen der oberen Zeile sind mir unbekannt. Die der unteren sind lateinisch und bedeuten›Ariantes Sohn des Arifarnas‹. Die Rolle steckte im Mund der Leiche eines Mannes, der in einem heiligen Hain an einer Eiche aufgehängt worden war.«
»Marha!« Ich legte das Ding hin und streckte die Hände über die Flamme der Lampe aus, um den Schutz des Gottes anzurufen. Ich war früher auch manchmal mit einem Fluch belegt worden, aber niemals auf diese Weise, niemals dadurch, daß man einem anderen Mann das Leben nahm, um mich zum Tod zu verdammen. Mein Volk glaubt, daß es neben Marha und den anderen guten Göttern eine finstere unterirdische Macht gibt. Wir nennen sie den Dämon der Lüge, und wir verehren sie nicht, fluchen aber manchmal bei ihr. Sie hat Macht über alle, die einen Eid brechen oder die heimtückisch einen Menschen ermorden. Ich konnte mir guten Gewissens sagen, daß ich niemals eidbrüchig geworden war und niemals jemanden getötet hatte außer in fairem Kampf – und ich betete zu allen guten Göttern, daß sie mich vor diesem Unheil schützen möchten.
»Man hatte ihm die Kleider ausgezogen und seinen Körper blau angemalt, bevor er aufgehängt und anschließend erdolcht wurde«, fuhr Facilis mit harter Stimme fort. »Als Titus mir das berichtete, wußte ich noch nichts von den Druiden, aber es deutete alles darauf hin, daß es sich um einen Ritualmord handelte. Titus wollte nicht darüber sprechen, und auch die Magistratsbeamten wollten nicht darüber sprechen, und es ist völlig klar, daß niemand auch nur nach den Leuten suchen wird, die diesen armen Bastard ermordet haben. Sie haben offensichtlich Angst – und das bedeutet wahrscheinlich, daß die Leute, die es getan haben, einer großen und mächtigen Organisation angehören. Aber Ihr könnt sicher sein: Bald wird die ganze Gegend davon wissen, und jedem wird klar sein, daß die Druiden Euch hassen und Euch im Namen ihrer Götter verflucht haben, daß sie Euch durch den Tod eines anderen Mannes zum Tod verurteilt haben. Und das hättet Ihr wissen sollen, bevor Ihr dieser charmanten jungen Frau einen Heiratsantrag machtet. Denn damit habt Ihr entschieden, sie als Eure Verlobte allein auf einer abgelegenen Farm leben zu lassen, in einem Gebiet, wo Eure Feinde Freunde haben.«
Ich konnte nicht atmen. Ich ging zum Fenster, das ebenso wie die Fensterläden geschlossen war, und lehnte den Kopf gegen das Holz des Rahmens, an dem etwas Winterluft einsickerte. Nach einiger Zeit schlug ich verzweifelt mit der Faust gegen die Wand. Ich hatte die Gaben der Götter mit Freude und Dank angenommen, und jetzt war Pervicas Leben deswegen in Gefahr.
»Was ist auf dem Rückweg von Condercum geschehen?« fragte Facilis erneut.
»Was Ihr vermutet«, antwortete ich, ohne mich umzudrehen.
»War es die Dame Aurelia?«
»Ja. Sie sagte, Gatalas’ Tod sei ein Irrtum gewesen, daß nach ihrem Plan sein ganzer Drache hätte meutern sollen. Sie sagte, ihr Ziel sei ein Königreich der Briganten und es gebe eine gute Chance, es zu errichten. Die Römer hätten bereits das Gebiet der kaledonischen Stämme aufgegeben, da es zu schwierig zu kontrollieren sei, und man könne sie dazu zwingen, sich auch aus dem Land der Briganten zurückzuziehen. Sie sagte, die natürlichen Verbündeten der Sarmaten seien die Briten, nicht die Römer. Arshak glaubt das alles. Ich denke, er ist in sie verliebt und erwartet, als ihr Gemahl zu regieren, wenn sie Königin ist.«
»Was? Eine Ehebrecherin ist sie auch?«
Er war empört, was mir etwas lächerlich vorkam. Schließlich verriet sie ihren Ehemann, ob sie mit Arshak schlief oder nicht.
Aber die Römer nehmen Ehebruch viel ernster, als es Sarmaten tun. Sie betrachten es als schweres Verbrechen, wenn eine verheiratete Frau mit einem anderen Mann schläft, und selbst der Ehemann kann vor Gericht gebracht werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß er es geduldet hat. Ein verheirateter Mann allerdings kann mit jeder unverheirateten Frau schlafen, die ihm gefällt, ohne dadurch gegen das Gesetz zu verstoßen. Mein eigenes Volk betrachtet es als Angelegenheit der Frau, mit wem sie schläft; Ehebruch gilt bei uns nicht als Verbrechen – obwohl
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