Die Reiter der Sarmaten
sind seine Klienten. Ihre Familien waren Klienten seines Vaters, und davor des Vaters seines Vaters. Ihr seid Römer – bis zu diesem Sommer ein Feind. Was würden Eure Klienten empfinden, wenn die Dinge umgekehrt lägen? Wenn sie in die Ebenen jenseits des Danuvius hinausgeführt würden, in das Land der Sarmaten, und man würde ihnen dann sagen, daß Ihr nicht länger ihr Patron wäret, daß sie von nun an einem sarmatischen Fürsten gehorchen müßten, der nichts von ihren Sitten und Gebräuchen weiß und nicht einmal ihre Sprache spricht? Würden sie sich nicht weigern? Und Arshak ist der Neffe eines Königs und wird nicht einverstanden sein, daß ein römischer Tribun sich in seine Angelegenheiten einmischt. Er ist kein geduldiger Mann.«
»Oh. Unter diesem Aspekt hatte ich die Sache noch gar nicht betrachtet.« Nach einer Weile fragte er nachdenklich: »Was sollen wir also tun?«
»Könntet Ihr Euch nicht als Berater bezeichnen? Oder als Vermittler? Oder vielleicht als … Verbindungsoffizier, der für den Legaten spricht, aber das Kommando uns überläßt?«
»Das könnte ich! Das ist alles, was ich sein werde, wirklich.« Sein Gesicht hellte sich wieder auf. »Das ist also in Ordnung? Allerdings hoffe ich, daß ich nicht dazu bestimmt werde, mit diesem, hm, Arshak … als Verbindungsoffizier zusammenzuarbeiten. Wenn es drei Abteilungen von Euch gibt und er kommandiert eine, Ihr die zweite, wer kommandiert die dritte?«
»Gatalas. Ich weiß nicht, ob es einfacher für Euch sein würde, mit ihm zusammenzuarbeiten als mit Arshak, Javolenus Comittus.«
»Nennt mich Lucius. – Wenn ich also Glück habe, werde ich Euer Verbindungsoffizier.«
»Wenn Ihr es unter diesem Blickwinkel sehen wollt.«
»Das tue ich«, erklärte er grinsend.
Er hatte zweifellos recht damit, mich Arshak oder Gatalas vorzuziehen. »Wie weit ist es bis Eburacum?« fragte ich.
Es machte ihm offensichtlich Spaß, von Eburacum und von seiner Reise hierher zu erzählen, und ich konnte den Rest des Weges über schweigend meinen Gedanken nachhängen.
Natalis’ Haus auf dem Flottenstützpunkt Dubris war noch größer und prunkvoller als das auf dem Stützpunkt Bononia. Ich ließ mich zu Boden gleiten, dankte meinem Begleiter und wünschte ihm eine gute Zeit – allerdings vermied ich die Anrede Lucius, ich nannte ihn Lucius Javolenus. Es war mir einfach unmöglich, seinen Vornamen allein zu gebrauchen – das Bild seines an meinem Zügel hängenden Skalps stand mir noch zu lebendig vor Augen. Als er fortgeritten war, ging ich hinein und fragte nach dem Hausverwalter.
Die Kurierpost des Bootes, mit dem ich gekommen war, hatte einen Brief an den Hausverwalter gebracht, so daß ich schon erwartet worden war, bevor Bodica erschien, um die Abendgesellschaft für mich zu arrangieren. Die Sklaven waren höflich, trotz meines ungepflegten Aussehens und des Pferdegeruchs, der an meinen Kleidern haftete. Ich gab Anweisungen wegen der Äpfel und bat, jemanden zum Schiff zu schicken, um den Kapitän zu verständigen, daß er nicht auf mich zu warten brauchte. Dann führte mich der Hausverwalter die Treppen hinauf in einen Schlaf räum, der auf den Hof hinausging; er sagte, der edle Julius Priscus und seine Gemahlin erwarteten mich in einer Stunde, so daß mir genügend Zeit bliebe, mich frisch zu machen, und ob ich vielleicht ein Bad nehmen möchte.
Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich zu säubern, zumal ich mit diesen vornehmen Römern speisen würde, aber die römische Sitte, mit dem ganzen Körper in heißes Wasser einzutauchen, war mir nicht geheuer. Ich fragte nach einem Dampfbad, doch der Hausverwalter erklärte, daß nur die öffentlichen Bäder außerhalb des Stützpunkts darauf eingerichtet seien. Ich mußte mich also damit begnügen, so gut es ging mich mit Öl einzureihen und anschließend Öl und Schmutz mit einem Schaber abzustreifen. Mit der Kleidung war überhaupt nichts zu machen; nach dem langen Marsch hatte ich in Bononia keine sauberen Sachen zum Wechseln mehr gehabt. Ich kämmte mir das Haar, ohne in den Spiegel auf dem Tisch zu sehen. Es blieb noch reichlich Zeit bis zum Abendessen. Ich sah mich im Zimmer um. Es schien mir sehr groß zu sein – ich hatte noch nie zuvor in einem Haus geschlafen. Die Wände waren verputzt und bemalt, aber der Fußboden war wenigstens nicht aus Stein und hatte einen Teppich. Man hatte nicht ganz so das Gefühl, in einem Grab zu sein, wie es in einem Zimmer im Erdgeschoß der Fall
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