Die Reiter der Sarmaten
Sarmaten … das heißt, ich habe gehört, sie wären mit den römischen Methoden nicht sehr vertraut.«
Ich starrte ihn entgeistert an. Meine Phantasie gaukelte mir plötzlich ein Bild vor, von einer Wildheit, wie ich sie seit Monaten nicht empfunden hatte: Comittus auf dem Pflaster vor mir liegend, meinen Speer in der Brust, und die Schneide meines Dolches läuft über seine Stirn, um den Kopf herum, und hebt den lockigen braunen Skalp vom blutigen Schädel. Wie konnte irgendein Römer, von diesem jungen Stutzer ganz abgesehen, meine Männer kommandieren – meine Schutzbefohlenen, meine Gefolgsleute? Und wenn die Römer die Absicht hatten, Offiziere aus ihren Reihen als Präfekten einzusetzen, was gedachten sie mit Arshak, Gatalas und mir zu tun? Stellvertretung des Präfekten, gemeinsames Kommando, oder was?
Selbst ein gemeinsames Kommando mußte in einer Katastrophe enden. Hier war ich, entschlossen, meinen Gefolgsleuten Sicherheit zu geben, indem ich Frieden mit unseren römischen Herren zu halten versuchte – und ich brannte darauf, den ersten römischen »Kameraden«, dem ich begegnete, zu skalpieren. Was würden meine Offiziere tun? Oder meine fürstlichen Freunde? Ich dachte an Arshak und seinen mit römischen Skalpen dekorierten Mantel. Dieser Comittus kam mir vor wie ein munterer, verspielter junger Hund. Angehörige des Ritterstandes beginnen ihre Karriere oft als Militärtribun im Stab einer Legion. Es wird von ihnen keinerlei militärische Erfahrung verlangt, und ich bezweifelte, daß Comittus je eine entsprechende Ausbildung erhalten hatte. Er würde mit Arshak ungefähr so gut zurechtkommen wie der rotgesichtige Mann mit dem Schimmelhengst, und das Ergebnis konnte nur eine Katastrophe sein. Irgend jemand in Britannien hatte sich da schlimm verkalkuliert: Vielleicht dachten sie, wie der Prokurator Valerius Natalis, wir wären unterworfene Barbaren.
Ich bemerkte, daß meine Hand auf dem Griff meines Dolches lag, und versuchte, die Vorstellung von Blut und Skalpen zu verjagen. »Vielleicht sollten wir doch besser zusammen zu Abend essen«, sagte ich ruhig. »Und vielleicht könnte ich auch mit dem Legaten Eurer Legion sprechen. Was Ihr da gesagt habt …« Ich schüttelte den Kopf. »Javolenus Comittus, wenn Ihr das zu Arshak gesagt hättet, dieses ›Ich werde den Befehl übernehmen‹ glaubt mir, er würde Euch umgebracht haben.«
Comittus sah verwirrt aus. Die Frau, Aurelia Bodica, lächelte. »Ist dieser … Arsacus … Euer Kommandeur?« fragte sie.
»Er ist wie ich Fürst-Kommandeur einer unserer drei Abteilungen, edle Dame«, antwortete ich. »Aber er steht dem Rang nach über mir, da er dem königlichen Klan angehört.«
»Ist er auch hier in Dubris? Wir haben nicht gehört, daß Eure Truppen überhaupt schon in Bononia eingetroffen sind.«
»Wir sind gestern nachmittag in Bononia eingetroffen, edle Dame. Die anderen sind noch dort. Ich bin allein heute morgen herübergekommen. Die anderen werden folgen, wenn ich ihnen berichtet habe, daß alles in Ordnung ist.«
»Ich verstehe.« Sie lächelte. Es war ein sehr hübsches Lächeln. »Ich hatte gedacht, wir könnten alle heute abend zusammen essen, sarmatische und römische Offiziere. Und Ihr könntet uns bei dieser Gelegenheit erklären, wie wir Eure Truppen behandeln sollten. Statt dessen werdet Ihr wohl der einzige sarmatische Offizier gegenüber vier römischen Offizieren sein … Wie, sagtet Ihr, war Euer Name?«
»Ariantes.«
» Fürst Ariantes? Leider kann ich Euch nicht zu einem Festmahl einladen, da mein Gemahl und ich ebenfalls in Natalis’ Haus zu Gast sind. Aber ich hoffe, Ihr werdet uns die Ehre geben, das Abendessen mit uns zu teilen, zu dem ich auch die Tribüne einladen werde – Lucius Javolenus, Ihr seid hiermit eingeladen –, und Ihr könnt uns alles über die Sitten und Gebräuche Eures Volkes erzählen und wie wir es vermeiden können, Euch zu beleidigen.«
Ich dankte ihr und nahm die Einladung an. Comittus bedankte sich ebenfalls. Sie lächelte wieder und sagte, sie müsse jetzt eiligst nach Hause zurückkehren, um die Vorbereitungen für das Abend essen zu treffen, wünschte mir baldige Heilung meiner Verletzung und entfernte sich die Straße hinauf. Comittus band das Pferd los und folgte ihr.
Mein Bein schmerzte noch sehr, und ich konnte unmöglich eine längere Strecke zu Fuß gehen. Ich humpelte zum Brunnen zurück und setzte mich auf die Randmauer. Die Menge der Neugierigen war es schließlich
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