Die Reiter der Sarmaten
»Brauchst du ein Pferd?«
Er nahm die Münzen erfreut und steckte sie rasch in seinen Geldbeutel. »Damit könnte ich ein Buch kaufen! Vielleicht sogar zwei, wenn ich einen guten Laden für gebrauchte Bücher finde. Aber Ihr habt vergessen, Herr, daß ich nicht reiten kann.«
Ich hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, daß es Menschen gab, die nicht reiten konnten. »Gut, dann geh zu Fuß – und genieße den Tag in Londinium. Du kannst über Nacht in der Stadt bleiben, wenn du willst, sei aber morgen früh rechtzeitig zurück.« Als er fort war, ging ich in die Mitte des Lagers, und während ich dort mit Arshak und Gatalas einige Dinge besprach, kam Aurelia Bodica mit ihrem kleinen Wagen ins Lager gefahren. Sie war ohne Begleitung, auch ihren Reitknecht hatte sie nicht mitgebracht; sie lenkte den Wagen selbst. Sie kurvte geschickt um die Wagendeichseln und die angebundenen Pferde herum und hielt direkt vor uns. Der blaue Mantel war ihr von der Schulter geglitten, ihre Wangen waren vom Wind gerötet, und in ihren Augen tanzten Funken.
»Fürsten der Sarmaten!« rief sie uns lächelnd zu. »Ich bin gekommen, Euch um eine Gefälligkeit zu bitten.«
Arshak sprang gleich vor und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Gatalas war einen Augenblick langsamer und mußte sich damit begnügen, die Zügel des Hengstes zu halten. »Edle Aurelia«, sagte Arshak, ihr zulächelnd, »Ihr braucht nicht zu bitten, Euer Wunsch ist uns Befehl.«
»Oh, ich danke Euch, Fürst Arshak! Ich habe mich plötzlich entschlossen, in die Stadt zu fahren, und das kann ich nicht ohne Begleitung tun. Mein Mann ist bereits losgeritten und hat die Tribüne mitgenommen. Deshalb komme ich zu Euch mit der Bitte, mir Geleit zu geben.«
»Es wird mir eine Ehre sein«, erwiderte Arshak sofort. »Ich werde Euch mit meiner Leibwache begleiten.«
»Edle Dame«, warf ich ein, »Euer Gemahl wünschte, daß wir im Lager bleiben. Habt Ihr den Lagerpräfekten über Eure Absicht informiert?«
Sie sah mich mit spöttischem Lächeln an. »Das habe ich nicht. Ich weiß ganz genau, was Facilis sagen würde: ›Ihr könnt Sarmaten nicht trauen, ich gebe Euch ein Dutzend Legionäre mit.‹ Aber ich ziehe das Geleit sarmatischer Aristokraten vor. Legionäre sind langweilig. Wenn ich mit ihnen in die Stadt käme, würde jeder mich für die Frau eines Zenturios halten. Doch wenn ich mit Fürst Arshak und seiner Leibwache komme, wird die ganze Stadt zusammenlaufen und uns anstarren, vor allem, wenn Ihr und Eure Männer in voller Rüstung erscheint. Bitte, legt doch die Rüstung an! Warum sollten wir in der Hauptstadt nicht ein bißchen auftrumpfen? Macht Euch keine Sorgen wegen meines Gemahls, Fürst Ariantes. Er wird es nicht übelnehmen, wenn ein sarmatischer Kommandeur das Lager verläßt, um mir Geleit zu geben.«
Gatalas lachte. Ich fluchte innerlich. So wie Bodica es formuliert hatte, hörte es sich an, als hätte ich Angst vor dem Legaten. Vielleicht glaubte sie das wirklich.
»Über den Ärger Eures Gemahls mache ich mir keine Gedanken«, erklärte Arshak. »Es ist mir eine Ehre und eine Freude, eine so edle und schöne Dame zu begleiten, und ich möchte die Stadt auch selbst gern sehen. Ariantes und Gatalas werden hierbleiben und sich um die Männer kümmern, ja?«
»Nein«, sagte Gatalas, »ich komme auch mit. Ich werde Parspanakos (der Führer seiner Leibwache) den Befehl über den Drachen übertragen, und ich werde zehn Mann mitnehmen.«
Ich zögerte. Mir lag nichts daran, Londinium zu besuchen. Städte hatten mich nie sonderlich interessiert, und es behagte mir auch nicht, meine Männer in einem Lager ohne Aufsicht zu lassen, in dem Facilis Präfekt war. Auf der anderen Seite, wenn Arshak und Gatalas sie begleiteten und ich zurückblieb, würde das wieder Anlaß zu neuen Spekulationen geben – vor allem nach Aurelia Bodicas Kommentar. »Dann werde ich auch mitkommen«, sagte ich. »Ich möchte keineswegs versäumen, der Gemahlin unseres Legaten den geschuldeten Respekt zu erweisen.«
»Wunderbar«, sagte sie. »Dann werde ich also unter dem Geleit von drei sarmatischen Fürsten, von denen einer der Neffe eines Königs ist, nach London fahren! Nicht viele Frauen können sich eines solchen Geleites rühmen.«
Aurelia Bodica wollte einen Tempel besuchen und dann einige Einkäufe machen. Sie hatte die Bahn Seide, die Arshak dem Legaten geschenkt hatte, bei sich; sie wollte einen Teil mit Leinenfasern verweben und verlängern
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