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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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um Bononia grämst.«
    »Es ist nicht so, daß ich mich beklage. Dazu habe ich keinen Grund. Ihr seid sehr gut zu mir gewesen. Es war ein großer Trost für mich, daß ich mich von meinen Freunden verabschieden konnte und daß ihre Gebete mich begleiteten, als ich endgültig von Bononia fortging. Ich bin Euch dankbar. Aber es ist so … fremd für mich. Mit der Zeit wird es sicher besser werden. Ich werde die Sprache lernen.« Er sprach sich selbst Mut zu.
    »Ja«, sagte ich. Ich schloß die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen.
    »Was bedeutet ›Artanisca‹? Das war es doch, was Ihr eben gesagt habt?«
    Ich schwieg eine lange Zeit. »Es ist ein Name«, antwortete ich schließlich. »Mein kleiner Sohn. Er ist tot.«
    »Oh!« Dann nach einem Augenblick: »Entschuldigt, Herr.«
    »Schon gut.« Ich preßte die Hände gegen mein Gesicht, um meine eigenen Tränen zurückzuhalten. Artanisca würde mich nie mehr nachts aufwecken, nie mehr; Tirgatao würde nie mehr aufstehen, um ihn aus seiner Wiege aufzunehmen und seinen runden warmen Körper zwischen uns zu betten, nie mehr ihren schlanken Arm um meinen Nacken legen und ihren Kopf gegen meinen lehnen. Nie mehr. Nie, nie.
    »Was sagen eure Leute von den Toten?« fragte ich. Es war besser, zu sprechen, irgend etwas zu sagen, als in diesen schrecklichen tiefen Abgrund zu starren. »Verbrennen die Anhänger eures Kultes die Toten, wie das die Römer tun, oder legen sie sie in die Erde?«
    »Wir tun beides, Herr«, antwortete Eukairios, erstaunt über meine Frage. »Begraben, wenn es möglich ist, verbrennen, wenn es nicht möglich ist. Wir sind überzeugt, daß es für den, der im Glauben stirbt, ohne Bedeutung ist, was mit seinem Körper geschieht.«
    »Aber ihr glaubt doch an die Unsterblichkeit.« Ich erinnerte mich, wie Natalis auf dem Schiff von widerwärtigen Ritualen gesprochen hatte, mit denen sie die Unsterblichkeit zu gewinnen hofften.
    »Wir glauben, daß eines Tages diese Erde ihre Haut wie eine Schlange abstreifen und sich erneuern wird; daß sie jetzt leidet wie eine Frau in den Wehen, aber wenn das Leiden vorbei ist, wird Freude sein. Dann wird alles neu gemacht werden, und die Toten werden aus der Asche oder der Erde auferstehen, und alles, was zerbrochen war, wird ganz werden.«
    »Ihr glaubt, daß die Körper der Toten aus der Asche zurückkehren können?«
    »Wenn sie einst im Mutterleib gemacht worden sind, können sie auch aus der Erde oder dem Rauch oder der Asche neu gemacht werden. Wichtig ist, was sie waren, als sie lebten, nicht was danach mit ihnen geschah.«
    »Die Menschen meines Volkes glauben, wenn Feuer den Körper zerstört, wird auch die Seele zerstört. Das Feuer ist heilig, und der Tod entweiht es.«
    »Wenn Ihr glaubt, daß das Feuer heilig ist, sollte es dann nicht den Tod reinigen?«
    Wir schwiegen eine Weile. Ich sah im Geiste vor mir, wie Tirgatao brannte, und der Schmerz war so groß, daß ich kaum atmen konnte. Ich sprach. Ich mußte sprechen, selbst wenn ich mich schwach zeigte, selbst wenn ich ausgerechnet vor einem Sklaven meine Schwäche offenbarte.
    »Der Körper meiner Frau wurde verbrannt, der meines kleinen Sohnes auch. Sie waren alle in den Wagen. Die Römer kamen – die Zweite Pannonische Kavallerieala. Tirgatao nahm Artanisca und sprang aus ihrem Wagen; sie hoffte, fortrennen und sich mit ihm in Sicherheit bringen zu können; aber sie war hochschwanger mit unserem zweiten Kind und konnte nicht schnell genug laufen. Sie sahen sie. Sie hatte ihren Bogen bei sich und schoß auf sie. Man hat mir berichtet, daß sie einen Mann tötete. Die anderen fielen mit ihren Schwertern über sie her und töteten sie. Dann töteten sie auch Artanisca. Sie waren wütend, weil wir ihnen im Kampf große Verluste zugefügt hatten und weil Tirgatao einen von ihnen umgebracht hatte. Sie plünderten die Wagen und setzten sie in Brand. Sie schnitten ihr den Leib auf und zogen das Kind aus ihrem Schoß und schleuderten es ins Feuer. Ich hoffe, daß es tot war! Sie nahmen einen Pferdekopf und steckten ihn in ihren offenen Leib und warfen sie so ins Feuer, Artanisca hinterher.
    Eine Frau, die sich in einem Brunnen versteckt hatte, hat das alles gesehen. Ich lag verwundet auf dem Schlachtfeld, fünf Meilen entfernt. Als meine Männer mich am nächsten Morgen fanden, sagten sie mir nicht, was geschehen war. Ich fragte immer wieder nach Tirgatao, und sie sagten, sie sei nicht da. Ich dachte, sie hätten sie fortgeschickt, in Sicherheit.«
    Ich

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