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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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hörte die Bretter des Fußbodens knarren, als Eukairios sich bewegte. »Christus, erbarme dich!« flüsterte er.
    »Ich glaube nicht, daß ein gekreuzigter Römer ihnen helfen würde.«
    »Aber Ihr glaubt, daß das Feuer heilig ist und daß Euer Gott Marha heilig und gut ist?«
    »Das glauben wir Sarmaten.«
    »Dann … dann müßte Feuer für Eure Frau und Euer Kind doch Befreiung, nicht Zerstörung sein.«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Die Römer verbrennen ihre Toten, um die Seele zu befreien. Vielleicht haben sie recht. Ich hoffe, sie haben recht, und ich hoffe, auch du hast recht.«
    Und nach einiger Zeit sagte ich: »Es ist der Gedanke an Artanisca, der mich am meisten quält. Wie er neben seiner Mutter lag, als sie bereits tot war. Er war zwei Jahre alt. Ich sehe ihn immer, wie er weint, und meine Frau, wie sie brennt. Ich war machtlos, es zu verhüten, und machtlos, sie zu rächen, und ich bin noch immer machtlos. – Sage niemals ein Wort von dem, was ich heute nacht gesprochen habe. Zu niemandem.«
    »Gott bewahre!« sagte er heftig. »Eher würde ich mir die Zunge ausreißen.«
    Ich fühlte mich erschöpft und schämte mich meiner Schwäche. Aber die Beklemmung hatte sich ein wenig gelöst, und ich konnte wieder freier atmen. »Es tut mir leid, Eukairios, daß du durch mich leiden mußt. Ich habe in diesem Jahr so viel Leid gesehen, daß ich nie wieder in meinem Leben einen Menschen leiden sehen möchte. Aber wenn du irgend jemandem gegenüber erwähnen solltest, was ich gesagt habe, müßte ich dich töten. Ein Kommandeur darf keine Schwäche zeigen.«
    »Ihr braucht mich nicht durch Drohungen zum Schweigen zu zwingen, Herr. Ich werde auch so verschwiegen sein.«
    Es war ein seltsames Gefühl, von einem Sklaven bemitleidet zu werden. Es hätte mich ärgerlich machen müssen, tat es aber nicht. Es war tröstlich, ein anderes menschliches Wesen im Wagen zu haben und nicht allein zu sein, tröstlich, meinen Kummer zeigen und über ihn sprechen zu können.
    »Gute Nacht dann«, sagte ich, schon halb schlafend. »Gute Nacht, Herr.«
    Am nächsten Morgen vermied ich es peinlich, seinen Augen zu begegnen. Aber er kam zu mir herüber, als ich Farna sattelte, und fragte mit seiner ruhigen, etwas heiseren Stimme, die mir aus Bononia vertraut war, ob ich Briefe zu schreiben oder Abrechnungen zu machen hätte. Ich befragte ihn über einige Punkte der römischen Abrechnungsmethoden, die mir unklar geblieben waren, und er begann sie zu erklären. Währenddessen erschien Comittus und beteiligte sich an der Diskussion. Wir wurden unterbrochen, als das Signal zum Aufbruch kam; dann nahmen Comittus und ich das Gespräch wieder auf und diskutierten das Thema noch eine Zeitlang während des Marsches weiter. Als wir nach vorn ritten, um uns dem Legaten anzuschließen, bemerkte ich, daß Eukairios sich dem Fahrer meines Wagens zugewendet hatte und ein paar Worte Sarmatisch zu lernen versuchte.
    »Er ist ein tüchtiger Schreiber«, stellte Comittus fest. »Natalis hat Euch ein gutes Geschenk gemacht.«
    »Ja«, sagte ich. Natalis’ Geschenk war zweifellos sehr nützlich, aber es hatte mich in eine schwierige Situation gebracht. Ich konnte den Mann jetzt nicht mehr wie einen Sklaven behandeln. Eigentum wacht nachts nicht weinend auf, und es hat auch kein Mitleid mit den Tränen, die du vergießt. Entweder würde ich den Mann zu hassen beginnen, weil er meine Schwäche kannte – oder wir würden schließlich Freunde werden. Wie sich das Dilemma lösen würde, blieb abzuwarten.
    »Ich schätze, ich sollte auch etwas Sarmatisch lernen«, sagte Comittus nachdenklich.
    Ich nickte beifällig. »Die Männer werden sicher bald Latein lernen. Aber sie werden sich auch freuen, wenn Ihr ein paar Worte in ihrer eigenen Sprache zu ihnen sagt.«
    »Ich werde es versuchen«, erklärte er eifrig. »Allerdings, das muß ich sagen, bin ich froh, daß Ihr so gut Latein sprecht. Euer Latein ist sehr viel besser als das der anderen – ein bißchen schulmäßig vielleicht, aber es ist ein gebildetes Latein. Wo habt Ihr es gelernt?«
    »Mein Vater hatte einen … ich weiß das richtige Wort nicht – eine Art Klienten oder Pächter. Ein Mann, dem er gestattete, ein Stück Land zu bebauen, auf dem er die Weiderechte besaß. Als Entgelt hatte der Mann einen Teil seiner Produkte abzuliefern. Es gab mehrere Ackerbauern dieser Art auf den Winterweiden nahe der Tisia, aber dieser Mann war gebildet. Jedenfalls pflegte mein Vater ihm einen Teil

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