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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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»wegen all der Frauen, die dort aufgehängt wurden, als Königin Boudicca die Stadt plünderte.« Ich sah ihn erstaunt an.
    Er nickte, offensichtlich erfreut, daß ein Fremder sich für sein Wissen über die Stadtgeschichte interessierte. »Ihr seid nicht aus Britannien, nehme ich an. Habt Ihr von der Königin Boudicca gehört?«
    »Ein wenig.«
    »Dann werdet Ihr wohl gehört haben, daß ihre Truppen Londinium geplündert und verwüstet haben. Es heißt, alle Männer seien bei der Verteidigung der Stadt gefallen, bevor die Königin sie einnehmen konnte; sie rächte sich daher an den Frauen. Ihre Krieger schlachteten die meisten der Einwohner ab, sogar Kinder, aber den Frauen und Töchtern der römischen Bürger ließ sie die Kleider vom Leibe reißen, sie verstümmeln und pfählen und entlang der Brücke zur Schau stellen. Daher stammt der Name Frauenbrücke.«
    Ich bedankte mich noch einmal, und wir ritten in die Richtung, die er uns gezeigt hatte.
    Warum, fragte ich mich, hatte Aurelia Bodica diese grausame Hinrichtung wehrloser Frauen aus ihrer Heldensage fortgelassen und statt dessen von römischen Bürgern gesprochen, die an den Brückenbogen aufgehängt worden seien? Weil sie ihre Vorfahrin bewunderte und ihr solche Schandtaten nicht zutraute? Oder weil sie wußte, daß Grausamkeit gegen die Frauen besiegter Feinde bei ihren Zuhörern auf Unverständnis stoßen und ihre Sympathie für die britische Sache beeinträchtigen mußte?
    Wir fanden die Brücke, und ich ließ Londinium mit einem Gefühl der Erleichterung hinter mir zurück. Das Quartier des Legaten lag nahe der Straße, die Legionäre hatten ihre Zelte in einem ordentlichen Viereck auf der Pferdekoppel aufgeschlagen; unser eigenes Lager war dahinter. Als ich von der Straße zum Tor abbog, sah ich Facilis mit puterrotem Gesicht dort stehen.
    »Wo sind die anderen?« fragte er. »Wo ist die Dame Aurelia Julii? Warum seid Ihr in die verdammte Stadt – die Götter sollen sie zerstören – geritten?«
    Er mußte ihr ganz bewußt den Namen ihres Mannes gegeben haben; ich hatte noch niemanden sie so nennen hören. Ich erklärte ihm, wo sie und unsere Männer waren, und er fluchte wütend. »Der Gemahl der Dame hat ihr heute morgen eine Eskorte angeboten, eine römische Eskorte. Sie sagte, sie habe Kopfweh und wolle diesen Tag ruhig im Haus bleiben. Sie hat ihr kleines Sklavenmädchen, das vor Angst weint, im Haus eingeschlossen, und ihr Reitknecht sitzt untätig und verdrossen im Stall herum. Soll mich der Blitz erschlagen, wenn ich weiß, was sie im Schilde führt.«
    Ich zuckte die Achseln und bedeutete meinen Männern, zu ihren Wagen weiterzureiten.
    Facilis sah ihnen mürrisch nach, dann sagte er: »Sie hat Euch zur Schau gestellt, mit Euch geprotzt wie ein Feldherr beim Triumphzug, nehme ich an. ›Seht meine großartige Sammlung von Barbarenfürsten!‹ Ich hoffe, Ihr habt es genossen.«
    »Das habe ich nicht«, erwiderte ich. Einen Augenblick saß ich schweigend da und beobachtete Facilis. Ich mochte den Mann nicht, aber er war scharfsinnig und ein guter Menschenkenner. Er nahm an den Debatten der Römer teil, von denen ich ausgeschlossen war – und ganz offensichtlich traute er Aurelia Bodica nicht mehr als ich selbst.
    »Ihr meint also, daß sie etwas im Schilde führt?« fragte ich ruhig.
    Facilis stieß langsam und hörbar den Atem durch die Nase aus. »Ich sage nichts gegen die Gemahlin eines Legaten, Ariantes. Merkt Euch das.«
    »Lucius Javolenus Comittus bewundert sie außerordentlich. Die beiden anderen Tribüne scheinen … nicht glücklich zu sein, wenn man sie erwähnt.«
    »Sie haben Angst, meint Ihr.« Facilis hatte die Stimme zu einem Flüstern gesenkt; ich mußte den Helm abnehmen, um ihn zu verstehen. »Sie, und die meisten unserer Leute, haben Angst vor ihr. Und ich habe keine Ahnung, warum.«
    »Javolenus Comittus ist gebürtiger Brite«, sagte ich langsam. »Er ist mit ihr verwandt. Die beiden anderen sind italischer Abstammung.«
    »Und sie stammt von einheimischen Königsfamilien ab.« Facilis sah sich kurz um, dann kam er näher und faßte meinen Steigbügel. »Verdammt, Ariantes, ich kenne Britannien nicht besser als Ihr. Ich bin Pannonier, in diesem Land bin ich noch nie gewesen. Irgend etwas ist im Gange, da bin ich sicher; ihr ganzes Reden und Tun hat etwas Doppeldeutiges. Hinter allem scheint ein verborgener Sinn zu stecken, aber ich verstehe ihn nicht und kann ihn nicht herausfinden. Ihre königliche Abstammung hat

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