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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Menschen besser.«
Ich stellte mir für einen Augenblick die Möglichkeiten eines Syhoms vor, und aus irgendeinem Grunde wurde mir unheimlich zumute. Seit dieser Zeit versuchte ich nie wieder, mich über ihn lustig zu machen.
Grigori Gurjewitsch erzählte mir eines Tages, daß ihm plötzlich zuviel freie Zeit zur Verfügung stehe und er sogar angefangen habe, Streichholzetiketten zu sammeln.
Ich begriff, daß wir alle davon träumten, jene verhaßten Tage zurückzuholen, in denen wir über Problemen gebrütet und bis spät in die Nacht hinein im Konstruktionsbüro gesessen hatten. Ich war drauf und dran, mich deshalb an die : Leitung zu wenden, als man uns eine neue, dringende und noch kompliziertere Aufgabe stellte als die vorhergehende.
Wir beauftragten Juli Michailowitsch, die Zeichnung eines zusätzlichen Triebwerkes anzufertigen, und machten uns selbst an die Konstruktion des Steuersystems.
Unter den Bedingungen, in denen der neue Stratoplan eingesetzt werden sollte, war das die Hauptsache.
So hat sich das Problem unserer Beziehungen zu Juli Michailowitsch von selbst gelöst, dachte ich. Niemand hindert uns daran, wieder bis zur Erschöpfung zu arbeiten.
2
    Es fehlten nur noch wenige Tage bis zum Quartalsende, als wir erkannten, daß wir mit dieser Aufgabe nicht fertig werden würden. Bei der fälligen Prämienzahlung überging man uns, und ich wurde vor die Leitung zitiert. In dem Maße, wie sich die Gewitterwolken über unserer Abteilung zusammenballten, wandelte sich unser Verhältnis zu dem Syhom.
    Unser Sportler Kolja Bukaitschik, der früher so gut wie kein Wort mit Juli Michailowitsch gewechselt hatte, lud ihn zum Tennis ein. Grigori Gurjewitsch nannte den Syhom in einem Gespräch »unseren Retter«. Mir aber kam während einer der Standpauken, die ich mir vom Direktor anhören mußte, der Gedanke: Als man uns diese Aufgabe übertrug, rechnete man mit unserem Syhom. Ich allein bin an allem schuld, denn man hat ihn uns ja auf meine eigene Bitte geschickt und uns gleich angekündigt, daß er nicht lange bei uns würde bleiben können. Ich brauchte nur die Leitung anzurufen, und man würde ihn mit Freuden zu der für Syhome üblichen Arbeit einsetzen – zur Erkundung und Erschließung anderer Planeten. Vorläufig aber war er mein Untergebener, nur mein Untergebener. Nichts weiter.
    Es ist nicht schwer zu erraten, welche Aufgabe ich Juli Michailowitsch übertrug.
An jenem Tag machte ich mich ungewöhnlich früh auf den Heimweg und überlegte, womit ich die Zeit totschlagen könnte. Da erblickte ich vor mir eine bekannte Gestalt. Juli Michailowitsch hatte es sehr eilig. Er hätte die Gravitatoren einschalten und fliegen können, aus irgendeinem Grunde aber tat er das nicht. Ich bemühte mich, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, und überlegte mir zum erstenmal während unserer Bekanntschaft: Wie mag er sich unter uns fühlen? Völlig vorstellen konnte sich das wohl nur ein Kosmonaut, der schon einmal aus einem Raumschiff in den Kosmos hinausgetreten war, aber selbst mir bereitete der Gedanke Unbehagen. Natürlich verbot niemand Juli Michailowitsch, sich mit den anderen Syhomen zu treffen – zwei oder drei von ihnen waren auf der Erde geblieben, während die übrigen für die Menschen Venus und Mars erforschten. Den größten Teil des Tages aber mußte er mit uns verbringen.
Juli Michailowitsch bog in einen Boulevard ein und blieb vor einer Schule stehen. Ich ging näher heran und ließ mich neben einem alten Mütterchen auf einer Bank nieder.
Zwei Jungen liefen auf Juli Michailowitsch zu. Einer von ihnen schwenkte einen Gegenstand in der Hand. Die Jungen redeten gleichzeitig auf ihn ein. »Wir haben das Modell so gemacht, wie Sie gesagt haben, und es ist prima geworden!«
»Gehen wir heute angeln?«
»Vitka ist sauer, er war bisher unser bester Konstrukteur.«
Ich sah, wie Juli Michailowitschs Augen aufleuchteten, erhob mich und entfernte mich unauffällig.
Kinder, dachte ich. Ein Material, das man beliebig kneten kann. Ein dankbarer Boden für neue Vorhaben und Ideen… Das einzige, was wenigstens in gewissem Maße den Tod, das Freimachen des Platzes für den Nächsten, rechtfertigt. Er hat gefunden, was er braucht – unvoreingenommene Freunde.
Zwei Tage später brachte Juli Michailowitsch mir die Berechnungen und Zeichnungen.
»Sie können es nachprüfen lassen«, sagte er, »und alles dem experimentellen Labor übergeben.«
»Für eine Nachprüfung bleibt keine Zeit mehr«, bemerkte ich.
Zum erstenmal

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