Die Rekonstruktion des Menschen
ein einziger Buchstabe ist anders…«
Ich empfand aufrichtiges Mitleid mit ihm, aber die Kluft zwischen uns verringerte sich nicht.
Auch er war sich dessen bewußt.
»Ich werde weitersuchen…«
Gibt es eine Brücke über die Kluft? Lohnt es sich, nach ihr zu suchen?
Er griff nach der Türklinke und sagte: »Sie und ich, wir kennen die Schwächen des Menschen und seine Stärke. Nur eine winzige Kleinigkeit müssen wir noch begreifen: Was ist eigentlich ein Mensch?«
3
Zu guter Letzt unternahm Juli Michailowitsch den Schritt, zu dem ich mich nicht durchringen konnte. Die Leitung hatte mich darüber informiert, daß der Syhom, falls er sich bei uns nicht einarbeiten sollte, das Recht hatte, um Versetzung einzukommen. In diesem Fall durfte ich ihn nur bis zum Abschluß der gemeinsam mit ihm begonnenen Arbeitsetappe zurückhalten.
Nun legte Juli Michailowitsch mir ein Blatt Papier mit seinem Versetzungsgesuch auf den Tisch, und mir blieb wohl nichts anders übrig, als darauf zu vermerken: »Mit der Versetzung einverstanden…«
Der Syhom wird uns verlassen, und die Arbeit in der Abteilung wird so verlaufen wie früher… Seine Anwesenheit wird mich nicht mehr bedrücken…
Meine Stimme aber bebte, als ich den Syhom fragte: »Gibt es wirklich keinen anderen Ausweg?«
»Nein«, erwiderte Juli Michailowitsch.
»Vielleicht sollten Sie damit noch ein wenig warten…«
»Es würde nur noch schlimmer werden. Sie dürfen nicht verlernen, mit Rechenmaschinen umzugehen.«
Mehr sagte er zum Glück nicht.
»Wann wollen Sie gehen?«
»Am liebsten morgen, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich werde eine Station auf dem Mars einrichten.« Er sah und verstand meine Geste. »Schließlich wurde ich Ihnen nur vorübergehend zugeteilt. Meine Hauptaufgabe ist, wie auch die aller übrigen Syhome, die Erkundung anderer Planeten. Ihr Menschen werdet nachkommen, sie in Besitz nehmen und besiedeln, und wir werden weiterfliegen. Aber nicht das ist die Hauptsache. Wir werden uns verändern und nach der äußeren Form suchen, die für vernunftbegabte Wesen die angemessenste ist. Vielleicht wird das die Form eines Kugelblitzes oder einer Superplasmawolke sein. Um sich in sie zu verwandeln, muß man nicht unbedingt das Stadium des Syhoms durchlaufen. Vielleicht ist der Mensch imstande, seinen Organismus so weit zu verändern, daß er diese Form sofort, ohne Übergang, annehmen kann. Wenn uns das gelingt, können wir sagen, daß wir einen Teil unserer Schuld an euch zurückgezahlt haben…«
»Ja, ja, Sie haben recht«, sagte ich ein wenig zerstreut, sprang auf und lief in meinem Arbeitszimmer auf und ab. Der Gedanke an den Regierungsauftrag ließ mir keine Ruhe.
Ich dachte entsetzt: Er hat sich also endgültig entschieden. Wir werden die »Lerche« ohne ihn fertigstellen müssen. Alle Termine werden platzen… Ich warf einen Seitenblick auf Juli Michailowitsch und sah seine Lippen ungeduldig beben.
»Gut«, meinte ich hastig. »Wir werden darüber nachdenken… Zunächst aber ist die ›Lerche‹ fertigzustellen. Vorläufig müssen Sie also noch bei uns bleiben…«
Janusz A. Zajdel
Die Probe
Obwohl ich den Inhalt des Schreibens seit langem auswendig kannte, riß ich eilig den Briefumschlag auf. Schon seit über einer Woche wartete ich ungeduldig auf diesen Brief. Erregt trommelte ich mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und las die drei kurzen Sätze zum drittenmal. Sie waren für mich, die Erfüllung oder, besser gesagt, der Schlüssel zur Verwirklichung meiner heißesten Sehnsüchte.
»Ihre Bewerbung wurde angenommen. Wir bitten Sie, sich am 17. Juni um 12.30 Uhr zu einer Qualifikationsuntersuchung im Pavillon IV des Instituts für Kosmische Medizin einzufinden.
Die Untersuchungen werden ungefähr drei bis vier Tage dauern.«
Es war soweit…
Unser Jahrhundert – die Ära der Bezwinger des außerirdischen Raums – hat viele junge Enthusiasten wie mich hervorgebracht… Ich wußte, daß die Konkurrenz groß ist und die Auswahlprinzipien streng sind, aber was bedeuten schon Schwierigkeiten und Hindernisse für einen zwanzigjährigen Wirrkopf mit einem festen Glauben an seine Kraft und an seine Möglichkeiten. Nicht einmal die Tatsache, daß von allen meinen Bekannten, die es vor mir versucht hatten, nur Askel die Untersuchungen erfolgreich hinter sich gebracht hatte, konnte mich abschrecken. Daß Askel es geschafft hatte, ging jedenfalls aus dem Brief hervor, den er seinen Bruder geschrieben hatte. Askel war nie wieder bei uns
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