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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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stellte ihm Valmosk
eine neue Frage: »Aber leben möchte man doch, nicht wahr?« »Hören Sie auf, sich über mich lustig zu machen«, knurrte
Redshan und bedauerte bereits, daß er sich mit dem schwatzhaften Alten eingelassen hatte.
»Ich mache mich nicht über Sie lustig«, krächzte Valmosk,
»ich frage aus rein sachlichen Gründen. Sie wollen doch leben,
Redshan?«
»An sich habe ich es satt. Wenn Biolia und der kleine Arkif
nicht wären… Aber ehrlich gesagt, ich möchte schon. Sehr
sogar!« entgegnete Redshan mit einer ihn selbst überraschenden Offenheit.
»Dann kommen Sie mit!« sagte Valmosk und erhob sich
mühsam, indem er sich auf seinen Stock stützte.
»Wohin?« fragte Redshan ganz verdattert.
»Zu mir. Da können Sie sich einiges ansehen. Vielleicht gefällt es Ihnen.«
Damit machte sich der seltsame Alte schlurfend auf den Weg;
sein Stock stieß in gleichmäßigen Abständen auf das feuchte
Pflaster. Die prächtige Dogge kroch unter der Bank hervor und
folgte ihm. Einige Augenblicke sah Redshan ihnen nach; dann
machte er eine verzweifelte Handbewegung.
»Ach was, mag kommen, was will! Wir haben nichts zu verlieren!«
Rasch holte er den Alten ein und ging neben ihm her.
2
    Sie verließen den Park nicht durch das Haupttor, das auf eine belebte Straße führte, sondern durch eine schmale Dienstpforte am gegenüberliegenden Ende. Dahinter lag ein riesiges unbebautes Gelände, das zum Teil als Schrottplatz benutzt wurde; daran schloß sich ein Vorstadtbezirk mit einem Gewirr von engen Straßen und Sackgassen an. Hier hatten einstmals reiche Leute gewohnt. Nach dem Kriege jedoch, als viele Häuser zerstört waren, verödete diese Gegend und bedeckte sich allmählich mit den Notunterkünften der städtischen Armut.
    Unweit vom Weg wühlte ein Rudel streunender Hunde in einem Abfallhaufen. Jedes beliebige dieser räudigen Geschöpfe hätte besser zu dem abgerissenen Alten gepaßt als die prächtige Dogge. Redshan staunte von neuem über die stolze Haltung und den ruhigen, majestätischen Gang des prachtvollen Hundes. Er wollte Valmosk fragen, woher er das kostbare Tier habe, doch da waren sie schon bei der Meute angelangt.
    Als die streunenden Hunde die Dogge erblickten, erhoben sie ein wütendes Gebell. Einige große, struppige Exemplare trennten sich von dem Rudel und näherten sich dem Weg. Es sah aus, als wollten sie über die Dogge herfallen und sie in Stücke reißen. Redshan, der die Dogge beobachtete, stellte an ihr ein eigentümliches Verhalten fest.
    Das schöne Tier ließ sich nämlich durch das wütende Gebell seiner halbwilden Artgenossen überhaupt nicht beirren. Es blickte unverwandt geradeaus und schritt mit der unerschütterlichen Gelassenheit eines englischen Lords neben seinem Herrn einher. Nicht einmal seine Ohren zuckten, wie es sonst Hundeart ist. Erst als Valmosk den Vagabunden mit dem Stock drohte, nahm die Dogge von ihnen Notiz, doch wiederum mit einem solchen Gleichmut, als ginge sie der ganze Lärm überhaupt nichts an. Darauf zogen sich die Hunde zurück, bellten aber immer noch voller Wut, obgleich es offenbar nicht der Stock des Alten war, der sie von einem Angriff zurückhielt. Vielmehr spürten sie in dem Benehmen der Dogge irgendeine undeutliche Gefahr und konnten sich deshalb nicht entschließen, eine Balgerei mit ihr zu beginnen. Um so hysterischer gebärdeten sie sich von weitem und setzten alles daran, die Dogge einzuschüchtern.
    Schließlich hatten die drei das Ödland hinter sich gelassen. Der Weg führte jetzt durch eine enge, holprige Gasse.
»Sagen Sie, Professor, wie kommt es, daß sich Ihr Hund so seltsam benimmt?« fragte Redshan den Alten.
»Er interessiert sich eben für nichts«, erwiderte Valmosk kurz angebunden.
»Wie ist das möglich? Ist er vielleicht taub?«
»Ja, taub und stumm.«
»Wie schade! Ein so prächtiges Tier! Und wie heißt die Dogge, Verehrtester?«
»Einstmals hieß sie Rongi. So wurde sie vor langer Zeit gerufen, etwa vor vierzig Jahren. Jetzt hat sie überhaupt keinen Namen mehr!«
»Vor vierzig Jahren? Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß dieser Hund schon vierzig Jahre alt ist!« rief Redshan empört.
»Er ist sechsundvierzig Jahre alt«, antwortete Valmosk.
»Reden Sie kein dummes Zeug! So lange leben Hunde nicht!«
Der Alte blieb stehen und warf Redshan einen Blick zu, in dem Ärger und Gereiztheit zu lesen waren.
»Alles zu seiner Zeit«, knurrte er böse. »Bei mir zu Hause werden Sie alles erfahren. Bis dahin enthalten Sie

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