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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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geleiten«, murmelte er.
    »Das wird er«, stimmte die alte Frau zu. »Und doch wird der Abt von Lorsch es zu schätzen wissen, wenn Ihr es nicht allein Gott überlasst, was aus seinem Mitbruder wird. Warmund ist auf dem Territorium des Grafen von Buchhorn verschwunden. Lasst den Grafen den Mönch suchen und gestattet dafür Eckhard, den Mord aufzuklären. Auf diese Weise können alle beruhigt schlafen, und der Frieden ist gewahrt.« Sie faltete die Hände und sah von Udalrich zum Abt. Der nickte langsam. Zum ersten Mal schaute er die alte Frau direkt an. Es schien, als wolle er etwas sagen, aber Wiborada kam ihm zuvor. »Dies ist mein Rat. Ich maße mir nicht an, Euch Vorschriften zu machen. Verzeiht, wenn ich mich jetzt zurückziehe. Ich bin erschöpft.« Der Büßergürtel um ihre Taille klirrte, als sie vom Fenster zurücktrat.
    »Wiborada!« Wendelgards Stimme klang kindlich.
    Die alte Frau blieb stehen. Ihr Lächeln wurde warm. »Vergiss deinen Eid nicht, mein Kind. Und vertrau auf Gott.«
    »Ja, ehrwürdige Wiborada«, hauchte Wendelgard. Ihre Hand lag wieder auf ihrem Bauch. »Werde … werde ich dich wiedersehen?«
    Ein Schatten fiel über Wiboradas Gesicht. »So Gott will. Ich werde für dich und dein Kind beten. Und nun geh und sei deinem Mann eine gute Frau.« Noch einmal streckte sie ihre Hand aus dem Fenster, und diesmal wirkte sie nicht mehr wie eine Vogelklaue.
    Wendelgard beugte sich über die verkrümmten Finger und küsste sie. In ihren Augen standen Tränen. »Leb wohl, ehrwürdige Mutter«, flüsterte sie so leise, dass die beiden Männer sie kaum hören konnten. »Und danke.« Sie spähte durch den Fensterschlitz, bis Wiborada nur noch ein Schatten im Halbdunkel war, dann lehnte sie sich an Udalrich.
    Der Graf schlang einen Arm um seine Frau. »Geht es dir gut?«
    »Ich bin nur müde. Bring mich zum Gästehaus. Oder …« Sie straffte sich. »Musst du noch etwas besprechen?«
    Udalrich sah den Abt fragend an. »Ihr habt die Worte der heiligen Frau gehört. Seid Ihr einverstanden?«
    Eine Weile rührte Hartmann sich nicht. Unverwandt blickte er zu Wiboradas Zelle hinüber. Als er sich schließlich bewegte, war es, als schüttele er einen Bann ab. »Geleitet Eure Frau ins Gästehaus, dann werden wir alles Weitere besprechen. Ich erwarte Euch.«
     
    Als Udalrich wenig später zurückkehrte, stand der Abt immer noch in tiefe Gedanken versunken da. Er starrte auf die Schneefläche, die im Schein der sinkenden Sonne glitzerte. Als vom Kloster her die Gallusglocke zur Vesper läutete, ging ein tiefer Atemzug wie ein Zittern durch seinen Körper. Er faltete die Hände zum Gebet, und Udalrich folgte seinem Beispiel, ehe sie gemeinsam zum Kloster zurückkehrten.
    Im letzten Licht des Tages erreichten sie das Arbeitszimmer des Abtes.
    »Setzt Euch«, bat Hartmann und wies auf einen Hocker, den Udalrich aus der Ecke zog und an den Tisch stellte. Er musste einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken, als er endlich seine Beine entlasten konnte. »Ich habe Bruder Eckhard und Bruder Rodericus rufen lassen. Sie werden kommen, sobald sie ihre Pflichten erledigt haben.«
    »Rodericus?« Udalrich hörte auf, seine Oberschenkel zu massieren. »Die ehrwürdige Wiborada erwähnte den Namen Warmund.«
    Der Abt entzündete an der Glut seines Ofens eine Kerze, stellte sie auf den Tisch, der aus zwei Holzböcken und einer kurzen Tafel bestand, und holte aus einem Regal einen Krug. »Ein feiner Tropfen aus Italien, Graf.« Er füllte zwei Becher mit Weißwein, bevor er Udalrich gegenüber Platz nahm. Eine Weile starrte er auf seine schmalen Hände. »Was wisst Ihr über St. Michael?« Als Udalrich ihn verwirrt ansah, lächelte der Abt knapp. »St. Michael ist ein Benediktinerkloster wie das unsere und wurde erst vor wenigen Jahrzehnten am Neckar gegründet. Von dorther sind zwei Mönche gekommen.«
    »Und diese Mönche sind Bruder Rodericus …«
    »Und Bruder Warmund. Letzterer ist verschwunden.«
    Udalrich fing wieder an, die steifen Muskeln seiner Oberschenkel zu kneten. »Und was habt Ihr in diesem Fall unternommen?«
    Hartmann trank einen großen Schluck und sah Udalrich über den Rand des Bechers an, bevor er diesen abstellte. »Nichts.«
    »Nichts?«, wiederholte der Graf. »Das ist nicht eben viel.«
    Die Augen des Abtes wurden schmal. »Das Verschwinden eines Mannes, und sei es ein Mönch, ist Sache der weltlichen Obrigkeit. Ich habe andere Pflichten.«
    Auch Udalrich setzte den Becher an die Lippen. Der

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