Die Reliquie von Buchhorn
verschwunden. Er richtete sich auf, und das Wasser perlte über seine Haut, die sich schnell mit einer Gänsehaut überzog. »Righild, ich wollte dich etwas fragen.« Er stockte.
Ein Ausdruck von Abwehr glitt über das Gesicht des Mädchens, während der Krämer wieder sein meckerndes Lachen ausstieß.
»Hast du auch endlich gemerkt, was du hier noch bekommen kannst, junger Freund? Bei so vielen kräftigen Kerlen hab ich wohl keine Chance, Mädchen.« Ein selbstironisches Lächeln kaschierte den Ausdruck von Schwermut in seinen Augen. »Hilf mir aus dem Zuber. Vielleicht sehen wir uns ein anderes Mal.«
Righild schüttelte hilflos den Kopf, aber sie schwieg.
»Nein, Ihr versteht nicht«, begann Gerald, aber der Alte erhob sich bereits. Sein schwammiger Körper blockierte kurz Geralds Sicht. Der schloss hastig die Augen. Als er sie wieder öffnete, rieb Righild den Alten mit einem der Leintücher trocken. Dann reichte sie ihm die Kleider. Sie beugte sich vor und hauchte dem alten Mann einen Kuss auf die Wange. »Lebt wohl, lieber Herr.«
Er stupste ihr sanft gegen die Nasenspitze und schob sich ächzend aus der Badestube.
Righild drehte sich zu Gerald um. Ihre Haltung drückte ein Entgegenkommen aus, das er in ihrem Gesicht nicht wiederfand.
Wieder spürte er die Röte in seinen Wangen brennen. »Es ist wirklich nicht das, was Ihr denkt, Righild«, sagte er. »Ich habe nur eine Frage. Es wird erzählt, dass ein Mönch bei Euch war.« Er sah, wie ihre Hand wieder an den Hals fuhr, und setzte rasch hinzu: »Ein Benediktiner namens Warmund. Ist das wahr?«
»Warum fragt Ihr?«
»Weil er verschwunden ist.« Gerald richtete sich auf. Das Wasser war merklich kühler geworden. Er stieg aus dem Zuber und nahm eines der Tücher, um sich trocken zu reiben.
Righild beobachtete ihn, ohne ihre Dienste anzubieten. In ihr arbeitete es. »Verschwunden«, wiederholte sie unglücklich. »Ist ihm etwas zugestoßen?«
»Das weiß ich nicht.« Gerald streifte seine Kleider über. Der Stoff war unangenehm feucht auf der Haut. »Aber ich suche ihn.«
»Das ist gut!« Righild begann, die Becher einzusammeln. »Ich möchte nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist. Er war …« Sie brach ab und zog einen winzigen Beutel aus ihrem Ausschnitt. »Die hat er mir gegeben, dafür dass ich …«
»Ja?«
»Er war einsam«, stieß das Mädchen hervor. »Und ein Mönch ist auch nur ein Mann. Und nicht jeder Mann dankt mir mit einem heiligen Knochensplitter!«
Gerald stieß einen Pfiff aus.
Righild ließ den Beutel wieder unter ihrem feuchten Kleid verschwinden. »Es ist von dem Knochen einer Heiligen. Den Namen hab ich vergessen, aber er hat mir gesagt, dass er meine sehnlichsten Wünsche erfüllen wird. Und das hat er«, wisperte sie mit glänzenden Augen. Sie zog den Beutel wieder hervor und küsste ihn scheu.
Gerald musste an den gut aussehenden Riesen denken. »Aber eine Reliquie«, protestierte er.
Sie lächelte matt. »Er hatte einen ganzen Beutel davon, Herr. Er nannte das seine …«
»Einen ganzen Beutel?« Gerald riss die Augen auf. »Das ist unglaublich.«
»Warum, Herr? Der fromme Mann hat es mir erklärt. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf göttlichen Beistand. Deshalb vergütet er besonderes Entgegenkommen mit besonderer Münze.« Die letzten Worte klangen, als habe das Mädchen sie auswendig gelernt. Sie lächelte, aber ihre Haltung drückte Furcht aus. »Er hat mir den Knochen wirklich gegeben. Ich habe ihn verdient.«
Gerald schüttelte nur den Kopf und unterdrückte den Drang, sich zu bekreuzigen. »Eine Reliquie für Hurendienste! Ich glaube es nicht!«
»Ihr urteilt sehr hart!«, sagte sie vorwurfsvoll.
Gerald sah sie an, und wieder musste er an Fridrun denken. Beinahe gegen seinen Willen berührte er ihre erhitzte Wange. »Das ist kein Leben für Euch, Righild. Sucht Euch einen Mann und kehrt diesem Haus den Rücken!«
Ihr Lächeln kehrte zurück. »Oh, das habe ich fest vor, Herr«, sagte sie mit einem Kichern.
»Reliquienhandel?« Eckhard fuhr auf. »Reliquienhandel, sagst du?« Er starrte Rodericus an. »Was hast du dazu zu sagen?«
»Nichts!«
»Nichts?«, wiederholte Eckhard und hieb mit der Hand auf den Strohsack, auf dem er saß.
»Woher wissen wir überhaupt, dass diese Hure von Bruder Warmund gesprochen hat«, rief Rodericus. Auf seinen Wangen bildeten sich rote Flecken, während er anklagend auf Gerald zeigte. »Alles, was wir haben, ist sein Wort.«
Der Schmied sah von einem zum anderen.
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