Die Reliquie von Buchhorn
nun kommt endlich. Ihr wisst nicht, was Ihr verpasst.«
Gerald nickte verbissen und wollte das Tuch um seine Hüften schlingen, als ein Laut ihn innehalten ließ.
Righild prustete in die vorgehaltene Hand. »Verzeiht, Herr, aber das Tuch ist zum Abtrocknen da«, kicherte sie. »Wir baden hier nackt.« Sie griff nach dem Leinen und zog es mit einem kräftigen Ruck beiseite. »Was wollt Ihr? Da ist doch nichts, dessen Ihr Euch schämen müsstet«, bemerkte sie keck.
Gerald wich hastig vor ihrer Berührung zurück.
»Trinkt einen Wein mit mir«, unterbrach der Mann im Wasser mit einem Anflug von Gutmütigkeit. »Vielleicht hilft Euch das beim Entspannen.«
»Ich … danke, ja.«
Sofort schob Righild den Vorhang einen Spalt beiseite und rief: »Hinrich, der Krämer möchte Wein.«
»Ich komme!«
»Auf der Durchreise?«, erkundigte sich der Kahlkopf, nachdem sich Gerald vorsichtig in den Bottich hatte gleiten lassen.
»Geschäfte«, erwiderte Gerald vage. Das heiße Wasser fühlte sich überraschend gut auf der Haut an. Er ließ sich tiefer sinken.
Der Alte musterte ihn neugierig. »Und welche Geschäfte treiben einen so gut ausgestatteten Kerl nach Bregenz?«
Gerald verwünschte sich, dass er sich keine Geschichte zurechtgelegt hatte. Aber er war nie auf den Gedanken gekommen, auf andere Badegäste zu treffen. »Ich bin in Diensten des Grafen unterwegs.«
»Ein Knappe?« Der Kahlkopf zog anerkennend die Brauen hoch. »Und was tut Ihr hier?«
»Ich … also, ich …«
Das Eintreten des Jungen rettete Gerald. Der Bursche knallte einen Krug und zwei Becher auf einen der Holzböcke, streckte Righild die Zunge heraus und stapfte wieder hinaus.
»Dann schenk ein, Righild, meine Schöne!«, befahl der Alte jovial. Er zwinkerte Gerald zu, als die junge Frau sich bückte. »Ist das nicht ein prachtvoller Hintern«, fragte er und schmatzte mit den Lippen. »Genau das Richtige für einen stattlichen Kerl wie mich.«
Geralds Muskeln verkrampften sich. Er musste an Fridrun denken, die als Schankmagd gearbeitet hatte, ehe sie seine Frau wurde. »Warum lasst Ihr sie nicht in Ruhe?«
»Weil sie damit ihr Geld verdient«, antwortete der Mann trocken. Er nahm dem Mädchen den Becher aus der Hand und prostete erst ihr, dann Gerald zu.
Auch der junge Schmied nahm einen Schluck. Der Wein war besser, als er erwartet hatte, und half ihm, seinen Ärger zu vergessen. Er schloss die Augen und ließ zu, dass das heiße Wasser die Reisemüdigkeit aus seinen Knochen spülte. Wie durch Watte hörte er leise Stimmen und Schritte. Als er die Lider wieder hob, hätte er beinahe den Becher ins Wasser fallen lassen. Righild war verschwunden, dafür stand in der Tür zum Hof ein hünenhafter Mann, der die beiden Badenden beinahe ebenso verdutzt musterte wie sie ihn.
Der Fremde brach das Schweigen als Erster. »Wo ist Righild?« Seine Stimme klang tief und rau, wie die Stimme eines Mannes, der Antworten gewohnt war.
»Sie ist eben hinausgegangen.« Der Krämer betrachtete den Mann, der nicht nur sehr groß, sondern auch überaus gut aussehend war, und zog ein säuerliches Gesicht. »Wollt Ihr auch ein Bad? Noch ist Platz.«
»Nicht mit Euch«, antwortete der Fremde knapp. »Kommt sie wieder?«
Der Händler wollte eben antworten, als der schwere Vorhang zur Seite glitt und Righild wieder in die Badestube kam.
Sie wurde erst blass, dann rot. »Du?«
»Ja, ich.« Der Mann packte ihr Handgelenk und wollte sie an sich ziehen, aber sie stieß ihn zurück. »Du siehst doch, dass es nicht geht. Hat …«
»Die Alte hat mich nicht gesehen«, unterbrach er sie barsch. »Da du keine Zeit für mich hast …«
»Warte oben«, flehte sie. »Ich komme, so schnell ich kann. Bitte!«
Der Mann schüttelte mit einem Lachen den Kopf. »Keine Zeit, Mädchen. Ich muss los!«
Righild legte die eine Hand an ihren Hals, mit der anderen strich sie über seine Wange. »Wann?«, wisperte sie. »Wann sehe ich dich wieder?«
»Das kommt darauf an.« Der Blick der durchdringenden blauen Augen schweifte zu Gerald und dem Krämer hinüber und blieb an dem Schmied haften. »Frag ihn!« Er drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund und verschwand in den Hof.
Righild fuhr zu Gerald herum. »Was hat er gemeint? Warum soll ich Euch fragen?«
»Woher soll ich das wissen?« Gerald leerte seinen Becher und stellte ihn vorsichtig auf den Boden. »Ich hab den Kerl noch nie gesehen.« Er schüttelte den Kopf. Die angenehme Schwere in seinen Gliedern war
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